ID.Every1: VW erkauft sich Zeit – und es steht viel auf dem Spiel
Der echte Elektro-Volkswagen – nicht weniger verspricht der ID.1 zu sein, wenn er 2027 in Serie geht. Mit der gelungenen Präsentation des 20.000-Euro-Stromers hat sich VW erst einmal Zeit erkauft. Aber der Druck bleibt hoch.Ein Kommentar von Felix Gräber

Der echte Elektro-Volkswagen – nicht weniger verspricht der ID.1 zu sein, wenn er 2027 in Serie geht. Mit der gelungenen Präsentation des 20.000-Euro-Stromers hat sich VW erst einmal Zeit erkauft. Aber der Druck bleibt hoch.
Ein Kommentar von Felix Gräber
VW ID.1: Dieses E-Auto muss den Erwartungen gerecht werden
Da ist er endlich: Der ID.1 von Volkswagen ist da – na ja, zumindest das Concept-Car konnten wir bestaunen. Für rund 20.000 Euro Startpreis soll der ID.Every1 2027 in Serie gehen – ein schicker, moderner Elektro-Stadtwagen, der kaum Wünsche offen lässt.
Jedenfalls hätte es Volkswagen so gerne. Bei näherer Betrachtung werden Kunden Abstriche machen müssen. In der 20.000-Euro-Basisversion werden Ausstattungsmerkmale fehlen, die den Preis zu weit hochtreiben würden. Wer mehr will, muss mehr zahlen – daran ändert auch der ID.1 nichts. Das ist aber nur eines der Probleme, vor denen VWs Jüngster steht.
Denn die Situation von VW, die internationale Groß-Gemengelage und die Zeit, die bis zum Start des ID.1 2027 noch vergeht – sie alle sorgen dafür, dass der Nachwuchs enorme Erwartungen schultern muss, schon bevor er das Licht der Welt erblickt hat.
Denn VW hat sich Zeit erkauft. Der ID.1 hat bei der Präsentation überzeugt – auch und vor allem, weil VW endlich das verspricht, was die Marke über Jahrzehnte ausgemacht hat: ein Auto, das alle Notwendigkeiten erfüllt, verlässlich ist und Emotionen transportiert – für einen Preis, den sich möglichst viele Kunden leisten können.
Der ID.Every1 – VWs Konzept zum E-Auto für alle:LinkVW zeigt den ID.Every1 – das E-Auto für alle?
VW muss mit dem ID.1 hoch pokern
Das Problem: Die Situation für VW ist heute eine andere als in den vergangenen Jahrzehnten. Die Konkurrenz hat mindestens aufgeholt. Technisch will und muss sich VW mit dem ID.1 also erst wieder an die Spitze vorkämpfen, während man gleichzeitig einem Kostendruck gerecht werden will, der seinesgleichen sucht. Zölle belasten dabei das ungestörte Wirtschaften, während vor allem China durch Masse und Klasse seiner Elektroautos heute zu überzeugen weiß.
Die EU versucht parallel, den Verbrenner am Leben zu halten. Kurzfristig werden sich Hersteller wie VW und Co. sicher freuen, wenn etwa nicht schon in diesem Jahr saftige Strafen fällig werden, sondern die Zahlung verschoben und durch Nacherfüllung ausgeglichen werden kann. Denn das sehen die aktuellen Pläne aus Brüssel vor – neben einer vorgezogenen Überprüfung des faktischen Verbrenner-Verbots ab 2035.Link
Diese Zeichen machen eine falsche Hoffnung: Dass VW, dass europäische Hersteller Zeit haben, den Weg der Elektromobilität gemächlich anzugehen. Auch mal zwei Schritte rückwärts zu machen, dann erst wieder einen nach vorn ein paar Jahre später.
Dem ist nicht so und der ID.1 macht das schon heute klar: Das Modell verspricht heute ein tolles Auto zu werden. In etwas mehr als zwei Jahren kann es schon ganz anders aussehen. Die Lebenszyklen der Automodelle sind kürzer geworden – und es gibt, so ehrlich müssen wir sein, schon heute E-Autos, die dem ID.Every1 locker das Wasser reichen können.
Wenn Volkswagen aber mit diesem Stromer scheitert, wird es erst richtig unangenehm. VW muss bis 2027 den Preis halten, obwohl derzeit niemand wirklich prognostizieren kann, wie sich ihre Kosten bis dahin entwickeln. Sie müssen technisch nicht nur mit mehreren chinesischen Herstellern und anderen internationalen Marken konkurrieren, sondern vielleicht sogar mit einem günstigeren Tesla – auch wenn der E-Auto-Pionier und seine Zukunft ebenso schwer berechenbar sind:Link
Und sie müssen sich in diesen beinharten Jahren trotzdem den Geist bewahren, ein Auto für alle und jeden anzubieten. Das ist schließlich das namentlich verankerte Versprechen des ID.Every1.
Ob er es halten kann? Ich habe da Sorgen – aber auch ein wenig Hoffnung. Denn was mir auch bei der Präsentation schon aufgefallen ist: Seit Volkswagen auf E-Autos setzt, hat kaum ein Modell so sehr den Kern der Marke und der Kundenwünsche getroffen. Der ID.1 hat viel zu verlieren – aber eben auch viel zu gewinnen.