Als Joachim Rotzinger 2022 Geschäftsführer beim Nürnberger Softwarehersteller Ingentis wurde, hatte das Unternehmen 80 Mitarbeitende – aber keine professionelle Personalarbeit. Einer der Ingentis-Gründer beschäftigte sich nur nebenbei „ungefähr eine halbe Stunde pro Woche“ damit, erzählt Rotzinger. Unterstützt wurde dieser von einem Quereinsteiger aus der IT, der sich etwa um Stellenanzeigen und Krankmeldungen kümmerte. Wer eine arbeits- oder steuerrechtliche Frage hatte, musste die Antwort oft selbst recherchieren.
Noch etwas vermisste Rotzinger bei dieser Minimallösung: Es gab weder eine strategische Gehaltsplanung noch Personalentwicklungspläne. Manche Teammitglieder sahen keine berufliche Perspektive für sich – und gingen. „Mir war klar: Wir müssen uns so aufstellen, dass wir einerseits passende neue Mitarbeiter bekommen und andererseits die bestehenden Teammitglieder auch halten können“, sagt Rotzinger. Er reagierte schnell und schuf eine Abteilung für Human Resources, kurz HR, um die Personalarbeit zu professionalisieren. Seitdem hat sich die Belegschaft auf 140 Mitarbeitende fast verdoppelt.
Die Folgen fehlender HR-Arbeit
Das Beispiel von Ingentis zeigt: Fehlt eine effektive Personalabteilung im Betrieb, ist Weiterentwicklung schwierig. Denn ob die Firma wachsen, sich wandeln oder in einem schwierigen Markt behaupten will, sie braucht Fachkräfte. Eine eigene Personalabteilung kostet aber auch viel Geld. Bei Ingentis besteht sie aus drei Teammitgliedern unter der Leitung von Saskia Hald.
Doch ab wann lohnt sich eine HR-Abteilung? Wie groß sollte sie sein? Auf welche Schritte kommt es an und mit welchen Kosten ist zu rechnen? Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um Personalarbeit.
Was genau ist die Aufgabe einer HR-Abteilung?
Eine Personalabteilung erfüllt im Grunde drei Hauptaufgaben. Dazu gehören administrative To-dos wie Gehälter abrechnen, Arbeitsverträge aufsetzen und Arbeitszeit erfassen. Die zweite Hauptfunktion ist das Rekrutieren von Mitarbeitenden. Die dritte wichtige Säule bildet die Personalentwicklung. Sie umfasst unter anderem Weiterbildungsmaßnahmen und Pläne zu beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten.
Insbesondere die letzten beiden Aspekte sind für die Unternehmensentwicklung entscheidend. „Eine gute HR-Fachkraft ist auch Sparringspartnerin der Geschäftsführung und berät sie in wichtigen strategischen Fragen – etwa wenn es um marktgerechte Gehälter geht oder um eine Personalplanung, die zu den mittel- bis langfristigen Unternehmenszielen passt“, erklärt der HR-Experte Florian Kuczera. Er arbeitet als Teamleiter HR Operations beim Nutzfahrzeughersteller Traton Group (MAN, Scania) in München und ist Gastdozent an der Universität Mannheim.
Was bringt professionelle Personalarbeit?
Zum einem bündelt eine HR-Einheit sämtliche Aufgaben rund um Personalarbeit. Selbst einfache Aufgaben werden ab einer gewissen Mitarbeiterzahl schlichtweg zu viel. Zudem ist es oft ineffizient, wenn sich etwa der Chef um Personalfragen kümmert: „Geschäftsführer sind meistens die ersten Entwickler und besten Vertriebsleute ihres Unternehmens.
Es ist Verschwendung, wenn sie ihre Zeit mit administrativen Personalaufgaben zubringen“, sagt Stephan Fischer, Professor für Personalmanagement und Organisationsberatung sowie Direktor des Instituts für Personalforschung an der Hochschule Pforzheim. „Und angesichts vieler gesetzlicher Regelungen, etwa zur Arbeitszeiterfassung oder zur Entgelttransparenz, werden Personalthemen häufig so komplex und anspruchsvoll, dass sie sich nicht einfach nebenbei machen lassen.“
Zum anderen kann gute Personalarbeit Firmen erfolgreicher machen, ist Kuczera überzeugt. Beispiel Besetzung einer Stelle in der Buchhaltung: „Kandidaten gibt es wahrscheinlich genug. Aber wer davon ideal zum Team und zur Kultur passt, können Personalprofis dank ihres geschulten Blicks für Persönlichkeitsmerkmale meist besser einschätzen als der Inhaber.“
Der HR-Experte verweist hierbei auf verschiedene Studien, unter anderen von Gallup und der Universität Bielefeld: Wer etwa 1000 Euro in eine Personalmaßnahme investiere, könne im Gegenzug mit einem Mehrwert von 10 000 bis 20 000 Euro rechnen – wenn zufriedene Teammitglieder produktiver arbeiten oder seltener kündigen. Noch höher könnte die Quote ausfallen, wenn etwa durch ein betriebliches Gesundheitsmanagement der Krankenstand innerhalb der Belegschaft sinkt.
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Ab welcher Größe braucht es eine HR-Abteilung?
„Spätestens wenn Mitarbeitende Kündigungsschutz genießen, sollte man darüber nachdenken, HR zu professionalisieren“, sagt Florian Kuczera. Das ist in aller Regel bei Betrieben mit mehr als zehn Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen der Fall. Kleine Firmen lassen sich in arbeitsrechtlichen Fragen meist von Steuer- und Anwaltskanzleien beraten.
© Sebastian Lock 2022 baute Ingentis-ChefJoachim Rotzinger (r.) eine HR-Abteilung unter der Leitung von Saskia Hald auf. Für Mitarbeiter Patrick Majer hat das viele Vorteile. Der VW-Oldtimer steht übrigens in der Firma und wurde auch schon für Meetings genutzt
Ab wann sich ein eigenes Personalwesen lohnt, sollte aber nicht allein anhand der Beschäftigtenzahl entschieden werden. Es spielt auch eine wichtige Rolle, wie spezialisiert, qualifiziert und verfügbar das Personal ist, das ein Unternehmen braucht. „Je schwerer die einzelnen Mitarbeitenden zu ersetzen sind und je stärker ein Unternehmen vom Fachkräftemangel betroffen ist, desto relevanter ist professionelle HR“, sagt Personalforscher Stephan Fischer. Das betreffe die IT- ebenso wie die Pflegebranche. Der Professor rät, in solchen Situationen früh in Mitarbeiterbindung zu investieren, um Personal zu halten, und professionelles Recruiting zu betreiben, um Vakanzen schnell zu besetzen.
Für Unternehmen mit hoch qualifizierten Teammitgliedern hält Stephan Fischer eine professionelle Personalarbeit bereits bei 40 Mitarbeitenden für sinnvoll. In anderen Fällen, etwa bei Produktionsbetrieben, in denen Maschinen den Großteil der Wertschöpfung bringen, sieht er die Schwelle bei 60 bis 80 Mitarbeitenden.
Mit wem besetze ich die erste Personalstelle?
Was die erste Personalfachkraft können soll, hängt zunächst von den Engpässen der Firma ab (mehr zu Engpässen findest du auch unter Frage 7). Laut Florian Kuczera ist oft ein Generalist oder eine Generalistin mit Querschnittswissen als Erstbesetzung ausreichend – also jemand, der arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtliche Grundlagen beherrscht. „Damit lassen sich viele HR-Basisaufgaben erledigen und externe Spezialisten steuern“, sagt der HR-Experte. Hierbei genügt es, wenn die HR-Fachkräfte eine IHK-Qualifizierung zum Personalsachbearbeiter vorweisen können.
Wenn die HR-Aufgaben im Unternehmen komplexer werden, beispielsweise Personalentwicklung und Recruiting in den Vordergrund rücken sollen, raten die Fachleute zu höher qualifizierten Kandidaten, etwa mit einem Bachelor-Studium.
Wer jedoch beide Qualifikationen braucht, aber nur das Budget für eine Vollzeitstelle hat, kann den Posten auf zwei Teilzeitkräfte mit unterschiedlichen Kompetenzen aufteilen, rät Professor Fischer. Eine Person würde sich dann zum Beispiel um Administratives kümmern, die andere um Aufgaben wie Recruiting und Personalentwicklung.
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Was kostet professionelle Personalarbeit?
Für Fachkräfte mit IHK-Qualifizierung ist bei einer Vollzeitstelle ein Jahresgehalt von 30 000 bis 35 000 Euro plus Arbeitgeberanteil realistisch. Für Hochschulabsolventen sind mindestens 50 000 Euro pro Jahr zu veranschlagen. „Hinzu kommen 5000 bis 10 000 Euro für spezielle HR-Software“, erklärt Kuczera.
Stephan Fischer rät dazu, neben Arbeitskraft und Software weitere Ausgaben einzuplanen. Dazu gehört beispielsweise ein jährliches Budget für Weiterbildungen. Aber auch Kosten für Fluktuation sind einzukalkulieren: Wenn die Firma etwa um zwei Stellen wachsen soll und zusätzlich zwei Teammitglieder in Rente gehen, sind vier Stellen neu zu besetzen.
Dabei entstehen Aufwände für Ausschreibungen und Auswahlverfahren, die Teil des HR-Budgets sind. „Natürlich würden dafür auch ohne HR-Verantwortliche Kosten entstehen“, erklärt Fischer. „Aber zur Professionalisierung der HR gehört es, dass Ausschreibungen und andere Prozesse zielgenauer und höherwertig werden, und damit oft auch etwas teurer.“
Zusätzlich sollte man auch vorab überlegen, wie der Personaler oder das künftige HR-Team räumlich eingebunden werden können. Weil in der Regel datenschutzrechtlich sensible Personalakten gelagert und vertrauliche Gespräche geführt werden müssen, hält Kuczera ein eigenes Büro für wünschenswert. „Für den Anfang können aber auch ein abschließbares Archiv und ein Besprechungsraum genügen.“
Gibt es Alternativen zu eigenen HR-Beschäftigten?
Kleine Unternehmen können elementare HR-Arbeiten auslagern, etwa an Steuerkanzleien oder HR-Agenturen. „Aber ab einer gewissen Mitarbeiterzahl muss jemand mit HR-Erfahrung im Unternehmen diese Dienstleister professionell steuern“, sagt Stephan Fischer. Grundsätzlich hält der Experte wenig davon, das Personalwesen komplett auszulagern.
HR-Abteilung aufbauen in fünf Schritten
„Im ersten Schritt müssen Sie den Engpass verstehen, der daraus entsteht, dass sich bislang niemand professionell mit HR beschäftigt“, sagt Fischer. Viele unbesetzte Stellen könnten ein Beispiel sein oder eine hohe Fluktuation. „Ein typisches Indiz ist, wenn wenige Azubis nach der Ausbildung bleiben.“
Im zweiten Schritt sollten Firmen definieren, welche Ziele sie mit dem Aufbau einer HR-Abteilung oder der Einstellung einer Personalfachkraft erreichen wollen. Ein Ziel könnte sein, dass sich der Umgang mit Mitarbeitenden verändern soll mit dem Ergebnis, die Bindung zu stärken und die Fluktuation zu verringern. Ein anderes Beispiel: „Es kann aber auch sein, dass man die Kosten reduzieren will, die bislang für Personaladministration durch einen Wirtschaftsprüfer oder andere externe Partner entstehen“, erklärt Stephan Fischer.
Im dritten Schritt stellt der Professor die „Make or Buy?“-Frage, also: Welche Dienstleistung kann ich zukaufen, um den gewünschten Nutzen zu erreichen, welche Aufgaben belasse ich lieber in der Firma? Sein Rat ist eine simple Formel: „Ich würde am ehesten administrative Aufgaben wie die Lohnbuchhaltung zukaufen und Strategisches wie Personalentwicklung und Mitarbeiterbindung selbst aufbauen – also alles, was die Kultur und die Arbeitgebermarke des Unternehmens betrifft.“
Die ersten beiden Schritte sind die Basis für den vierten, die Aufgabenbeschreibung der neuen HR-Stelle: Was sind die Hauptaufgaben der Personalerin oder des Personalteams? Sollen sie die Rekrutierung neuer Teammitglieder professionalisieren, die Arbeitgebermarke stärken oder die betriebliche Weiterbildung voranbringen?
Daraus ergibt sich ebenfalls, welches Anforderungsprofil die Person mitbringen soll – also, ob jemand mit IHK-Ausbildung genügt oder eine Kandidatin mit abgeschlossenem Studium geeigneter wäre.
Im fünften Schritt, dem Auswahlprozess, empfiehlt Fischer, vor allem auf zwei Aspekte zu achten: Passt die Bewerberin auf das Anforderungsprofil, um die vorher definierten Aufgaben zu bewältigen? Und passt die Person zur Organisation? „Wenn ein Mittelständler mit 60 Mitarbeitenden zum ersten Mal eine HR-Stelle besetzt, ist es zumindest fraglich, ob ein Bewerber zur Kultur des Unternehmens passt, der die letzten 20 Jahre in der Personalabteilung eines Konzerns gearbeitet hat.“
Welchen Effekt HR-Arbeit langfristig haben kann
Bei der Softwarefirma Ingentis jedenfalls hat sich der Aufbau eines professionellen HR-Teams gelohnt. Das Unternehmen konnte seine Wachstumspläne mit genug neuen Fachkräften umsetzen, während die Zufriedenheit der Belegschaft internen Befragungen zufolge stieg.
Das bestätigt auch ein Mitarbeiter, der noch die Zeit erlebt hat, als es noch keine professionelle Personalabteilung gab. „Man spürt, dass sich das ohnehin schon gute Klima weiter verbessert hat, seit es ein professionelles HR-Team gibt“, sagt Patrick Majer, der seit sieben Jahren bei Ingentis arbeitet.
Er führt das einerseits darauf zurück, dass nun alle Bereiche eigene Budgets für Teamevents haben. „Es gibt viel mehr gemeinsame Aktivitäten nach der Arbeitszeit.“ Vor allem aber hätten sich die beruflichen Perspektiven jedes und jeder Einzelnen deutlich verbessert, seitdem es eine Personalstrategie und Entwicklungspläne für jedes Teammitglied gibt. „Ich kenne Kollegen, die deshalb sogar wieder ins Unternehmen zurückgekehrt sind, nachdem sie vor Jahren gekündigt hatten“, sagt Majer.
Als Head of Consulting leitet er das Team der Kundenberatung, hat also selbst Personalverantwortung. Dazu tauscht er sich nun regelmäßig mit dem HR-Team um Leiterin Saskia Hald aus. Zum Beispiel darüber, welche Entwicklungsmöglichkeiten er den Teammitgliedern in seinem Bereich anbieten kann.
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