Mit Angestellten über Fehlzeiten zu sprechen, ist oft unangenehm. Dabei müsste es das nicht sein, sagt Anne Katrin Matyssek. Die Diplom-Psychologin hat sich auf das Thema gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung spezialisiert.
Ihr wichtigster Rat: Auch in gesunden Zeiten sollten Führungskräfte häufig mit ihren Teammitgliedern sprechen. „Zum Beispiel nach einer Fortbildung oder nach dem Urlaub. Dann fällt das Willkommensgespräch nach jeder Abwesenheit leichter.“ Das Thema Krankheit würde man so aus der Tabuzone holen.
Wie führe ich ein Krankenrückkehrgespräch?
Je länger die Abwesenheit gedauert hat, desto mehr Zeit solltest du für ein Krankenrückkehrgespräch einplanen. „Ist das Teammitglied nur einige Tage krank, reicht ein kurzes Willkommen heißen zwischendurch“, sagt Matyssek.
Zum Beispiel: „Hallo X, bist du wieder fit? Hat deine Erkrankung etwas mit der Arbeit zu tun? Nein? Gut, dann freue ich mich, dass du wieder da bist sind und wünsche dir frohes Schaffen!“
Ab wie vielen Tagen ist ein Fehlzeitengespräch sinnvoll?
Fehlt das Teammitglied hingegen zwei oder mehr Wochen, solltest du einen gemeinsamen Termin vereinbaren. Das Gespräch kann dann folgendermaßen ablaufen:
Begrüßung / Freude zeigen, dass er oder sie wieder da ist.
Fragen, ob er oder sie wieder fit ist.
Fragen, ob die Erkrankung mit der Arbeit zu tun hat.
Informationen geben, was in der Abwesenheit im Betrieb passiert ist.
Erzählen, welche Aufgaben im Team anstehen.
Fragen, ob man noch etwas tun kann, damit es ihm oder ihr bessergeht.
„Egal ob jemand kurz oder lang krank war: Die Führungskraft sollte in den Gesprächen Wertschätzung und echtes Interesse am Gegenüber signalisieren“, sagt Matyssek. Die Botschaft müsse lauten, dass dir aufgefallen ist, dass der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin gefehlt hat und dass dir das nicht egal sei. Zeige, dass dir das Wohl des Gegenübers am Herzen liegt und du daher reden möchtest.
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Frag, wie es deinem Gegenüber geht. „Das zeigt Interesse und gibt dem Teammitglied die Möglichkeit, bestehende gesundheitliche Probleme von sich aus anzusprechen“, sagt Matyssek.
Frag, ob dein Gegenüber wieder voll einsatzbereit ist oder sich noch schonen muss, so dass Rücksichtnahme nötig ist. „Auch das zeigt Wertschätzung und Fürsorge: Das Teammitglied soll sich ja nicht gleich überlasten und wieder erkranken“, so Matyssek.
Frag, ob die Arbeit Grund für die Erkrankung war. Falls ja, sucht gemeinsam nach Lösungen – beispielsweise durch eine Veränderung der Arbeitsbedingungen.
Diese Frage solltest du auf keinen Fall stellen
Frag nicht nach der Diagnose, dazu hast du kein Recht. Angestellte sind nicht verpflichtet, den Krankheitsgrund zu nennen –selbst wenn sie häufig oder über längere Zeit ausfallen.
Wie führe ich ein Personalgespräch wegen Krankheitstagen?
Das Fehlzeitengespräch mit einem Mitarbeiter, der oft krank ist, läuft wie oben aufgeführt. Allerdings sprichst du die häufigen Fehlzeiten konkret an.
Die wichtigste Regel dabei lautet: Führe regelmäßig Willkommensgespräche, am besten nach jeder krankheitsbedingten Abwesenheit – damit sich 1. bei dir kein Ärger aufstaut und 2. bei deinen Angestellten nicht einschleift, dass man bei dir ja einfach mal so fehlen kann.
In ihrem Buch „Fehlzeiten im Griff: Das Handbuch für Führungskräfte“ empfiehlt Matyssek folgende Formulierung:
„Ich freue mich, dass Sie wieder da sind! Wie geht es Ihnen denn? Wie Sie wissen möchte ich mit Ihnen über Ihre Fehltage sprechen.
Mir ist aufgefallen: Bei Ihnen häufen sich die Fehlzeiten an Freitagen; in den letzten vier Wochen allein dreimal.
Sie wissen, ich habe kein Anrecht auf Nennung der Diagnose, aber natürlich ist es ärgerlich für mich, wenn ich umplanen muss, weil schon wieder jemand ausfällt. Und für die anderen im Team ist es blöd, wenn die für Sie mitarbeiten müssen.
Krank ist krank. Das ist klar. Aber so kann das nicht weitergehen. Mir ist wichtig, dass der Laden läuft, und natürlich auch, dass es Ihnen gut geht. Hat es etwas mit der Arbeit zu tun? Welche Lösungsvorschläge haben Sie?“
Wichtig dabei: Tacheles reden, Fakten beschreiben, keine Diagnose stellen, den persönlichen Ärger als Ich-Aussage zeigen, das Team erwähnen, die Krankschreibung nicht anzweifeln und Fürsorge und die Notwendigkeit zur Lösungsfindung betonen.
Was kann ich tun, damit mein Gegenüber sich auf das Gespräch einlässt?
„Führungskräfte mögen in der Regel keine Angestellten, die häufig oder länger fehlen“, sagt Matyssek. Wenn Chef oder Chefin im Gespräch eine negative Haltung verbergen wollen, merken Teammitglieder das jedoch sofort. „Vermutlich blocken Angestellte das Gespräch dann ab und gehen demotiviert aus dem Büro.“ Frage dich deshalb vor jedem Gespräch: Mag ich dieses Teammitglied oder halte ich es für einen Blaumacher?
Egal, was du denkst: Versuche vor dem Gespräch eine positive Haltung einzunehmen. Denn: Nur so hast du die Chance, ein konstruktives Gespräch zu führen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Gehst du genervt in das Gespräch, gerätst du in einen negativen Gedankenstrudel, der auch dein Gegenüber runterzieht. Die Expertin gibt dazu folgende Tipps:
Versuche dich an drei positive Dinge zu erinnern, die der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin geleistet hat.
Versuche dich an drei positive Eigenschaften zu erinnern, die du schätzt.
Versuche dich an drei Fähigkeiten zu erinnern, die dich damals dazu bewogen haben, ihn oder sie einzustellen.
Darf ich meinen Ärger über die vielen Krankheitstage äußern?
Falls du das Gefühl hast, dass jemand tatsächlich unzuverlässig und sich seiner Verantwortung im Unternehmen nicht bewusst ist, solltest du das ansprechen. Das Teammitglied muss merken, dass dir das Thema wichtig ist. Es muss spürbar sein, dass Fehlzeiten dir nicht egal sind, aber: Es sollte sich Matyssek zufolge bei dir kein Ärger aufstauen.
Führungskräfte sollten niemanden unter Druck setzen oder gar drohen. Die Expertin rät deswegen, den Ärger als Ich-Botschaft zu formulieren und die Situation zu erklären – beziehungsweise die des ganzen Teams. Dadurch machst du klar, dass jeder im Unternehmen gebraucht wird, um gemeinsam erfolgreich zu sein. Zum Beispiel so:
„Du hast hier gefehlt, das kannst du dir ja vorstellen. Ich brauche hier jede helfende Hand, die Personaldecke ist dünn.“
„Es ist ja klar, dass ich nicht begeistert bin, wenn du fehlst. Das soll jetzt keinen Druck aufbauen, krank ist jeder mal. Wir brauchen dich hier, aber wir brauchen dich fit.“
„Du kannst dir vorstellen, dass das für mich total doof ist, wenn ich Pläne mache und dann fallen die Leute aus. Ich muss dann Ersatz holen, aber der ist ja nie so gut wie du.“
Wichtig: Bevor du deinen Frust äußerst, sei kritisch mit dir selbst. Matyssek rät, sich zu fragen, ob ihr wirklich oft genug miteinander gesprochen habt. „Und zwar auch unabhängig von Problemen oder Ausfallzeiten, einfach im ganz normalen Arbeitsalltag. Denn andernfalls fühlt sich der Mitarbeiter vielleicht ungesehen und nicht gebraucht und ist deswegen so unengagiert.“.
Gerade wenn es in deinem Team wiederholt zu Kurzerkrankungen kommt, solltest du für grundsätzliche Regelungen beim Thema Krankmeldung und Fehlzeiten sorgen. Matyssek rät zu vereinbaren, dass sich alle Teammitglieder bei der Führungskraft persönlich krankmelden. Dadurch sei nämlich schon mal der Kontakt hergestellt. „Neuer Ärger kann sich dann nicht so leicht aufstauen“, so die Psychologin. Und auch das Begrüßungsgespräch fällt leichter.
Wenn einzelne Beschäftigte wiederholte Kurzerkrankungen haben, kannst du in Absprache mit der Personalabteilung vereinbaren, dass für sie die Attestpflicht ab dem ersten Tag eingeführt wird. Bei Azubis zum Beispiel ist diese Maßnahme oft wirksam – sofern begleitend konsequent Willkommensgespräche nach jeder Abwesenheit geführt werden.
Es ist also die erhöhte Aufmerksamkeit und das Interesse, das sich hier positiv auf die Fehlzeiten auswirkt, und nicht die Anordnung als solche. Menschen müssen merken, dass sie wichtig sind. Dann sind sie auch gern anwesend.
Wie kann ich Fehlzeiten im Team ansprechen?
Falls dein Team aufgrund der erneuten oder längeren Fehlzeit von Kollegen Mehrarbeit hat und deswegen wütend ist, sprich das beim nächsten Meeting an. „Als Führungskraft solltest du kranke Angestellte vor dem restlichen Team zunächst immer verteidigen“, sagt Matyssek. Dadurch machst du laut der Psychologin einerseits klar, dass dir das lange oder häufige Fehlen aufgefallen ist. Andererseits hast du die Gelegenheit, die zusätzliche Arbeit wertzuschätzen. „Diese anzuerkennen ist sehr wichtig für den Teamfrieden.“
Ein Beispiel: „Ihr wisst, dass Kollege X / Kollegin Y krank ist. Ich weiß, dass ihr dadurch zusätzliche Arbeit habt und das eine anstrengende Situation ist. Wir wissen nicht, was dahintersteckt, aber keiner macht es sich hier leicht und ich bitte euch, mir zu vertrauen. Ihr könnt mich gerne ansprechen und euren Ärger teilen, aber lasst Kollege X / Kollegin Y bitte in Ruhe. Und ich danke euch sehr für eure Mehrarbeit, denn die ist nicht selbstverständlich.“
Welche Alternativen zur Kündigung gibt es?
„Ist das Wohlergehen der anderen Beschäftigten und der Teamfrieden durch die Erkrankung eines Einzelnen gefährdet und leidet die Produktivität, sollten Führungskräfte über Konsequenzen nachdenken“, sagt Matyssek. Du könntest das Teammitglied zum Beispiel innerhalb des Unternehmens versetzen.
Wenn alle vorangegangenen Gespräche im Sand verlaufen sind, kommen dir vielleicht weitergehende Maßnahmen in den Sinn. Bevor du mit dem Gedanken an eine Kündigung spielst, empfiehlt die Psychologin sich selbstkritisch zu fragen, ob du tatsächlich regelmäßig Willkommensgespräche geführt hast..
Wann ist eine Kündigung wegen Krankheit möglich?
Eine Kündigung wegen Krankheit ist grundsätzlich nur möglich, wenn jemand mehr als sechs Wochen im Jahr ausfällt. Und das gilt auch nur, wenn die gesundheitliche Prognose schlecht ist und auch im kommenden Jahr krankheitsbedingte Fehlzeiten von mindestens sechs Wochen zu erwarten sind. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber nachweisen, dass der Unternehmenserfolg durch das abwesende Teammitglied beeinträchtigt ist.
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