Ob aus Altersgründen oder weil sich das Geschäft nicht mehr lohnt: Wer seine Firma vollständig und für immer schließt, braucht auch seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mehr weiter beschäftigen – und darf eine Kündigung wegen Betriebsaufgabe aussprechen.
Doch Vorsicht: „Das ist ein sehr formales Vorgehen, bei dem es viele Stolpersteine gibt“, sagt Iris Henkel, Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Leipziger Kanzlei Petersen Hardrath Pruggmayer. Deshalb sollten Unternehmerinnen und Unternehmer, bevor sie kündigen, einige taktische und strategische Überlegungen anstellen – zum Beispiel, ob die Firma in Etappen geschlossen werden soll. Dabei müssen sie bestimmte Vorschriften beachten.
Welche das sind, welche Regeln etwa bei Azubis, Schwangeren und bei befristeten Arbeitsverträgen gelten und wann Unternehmen bei einer Betriebsaufgabe Abfindungen zahlen müssen, liest du in diesem Artikel. Zudem erfährst du, was du darüber hinaus bei einer Kündigung wegen Geschäftsaufgabe beachten solltest.
Ist eine außerordentliche Kündigung wegen Betriebsaufgabe möglich?
Nein, eine außerordentliche Kündigung wegen Betriebsaufgabe ist nicht möglich. Arbeitgeber müssen Angestellten grundsätzlich ordentlich betriebsbedingt kündigen.
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Vorgaben zur Kündigungsfrist bei Geschäftsaufgabe: Was muss ich beachten?
Wie lang die Kündigungsfrist bei einer Geschäftsaufgabe sein muss, ist in der Regel im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag festgelegt.
Ist nichts vertraglich geregelt, gilt § 622 BGB. Laut Gesetz betragen die Fristen:
1 Monat bei 2 Jahren Betriebszugehörigkeit
2 Monate bei 5 Jahren Betriebszugehörigkeit
3 Monate bei 8 Jahren Betriebszugehörigkeit
4 Monate bei 10 Jahren Betriebszugehörigkeit
5 Monate bei 12 Jahren Betriebszugehörigkeit
6 Monate bei 15 Jahren Betriebszugehörigkeit
7 Monate bei 20 Jahren Betriebszugehörigkeit
Die Kündigungsfrist gilt jeweils zum Ende eines Kalendermonats.
Bei langen Kündigungsfristen kann es sich lohnen, mit den Gekündigten Aufhebungsverträge abzuschließen. Hierbei beenden beide Seiten das Arbeitsverhältnis zu vorher festgelegten Bedingungen einvernehmlich.
Bei Arbeitnehmern in der Probezeit beträgt die gesetzliche Kündigungsfrist zwei Wochen – auch bei einer Betriebsschließung.
Welche Formalien muss ich bei der Kündigung wegen Geschäftsaufgabe beachten?
Für die Kündigung wegen Geschäftsaufgabe gelten dieselben formalen Regeln wie für andere Kündigungen. So muss sie beispielsweise schriftlich erfolgen und eigenhändig vom Arbeitgeber oder von der Arbeitgeberin unterschrieben sein.
Unternehmen müssen ihre Mitarbeitenden zudem darauf hinweisen, dass diese sich innerhalb von drei Tagen nach Erhalt einer Kündigung persönlich bei der Agentur für Arbeit melden.
Wann ist die Kündigung wegen Betriebsaufgabe unwirksam?
Eine Betriebsaufgabe ist grundsätzlich ein wirksamer und ausreichender Kündigungsgrund. Arbeitsgerichte hinterfragen nicht, ob es sich wirtschaftlich nicht doch gelohnt hätte, den Betrieb fortzuführen.
Dennoch gibt es Fälle, in denen Kündigungen wegen Betriebsaufgabe unwirksam und damit anfechtbar sind. Zum Beispiel,
wenn das Unternehmen den Betrieb nur vorübergehend schließen oder nur teilweise
wenn die Firma verkauft wird. Nach 613a BGB übernimmt der neue Inhaber bei einem Betriebsübergang alle Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen.
wenn Unternehmerinnen und Unternehmer eine Kündigung wegen Betriebsaufgabe nur vorsorglich oder vorschnell aussprechen. Zum Beispiel mit dem Ziel, dadurch einen Teil der Stellen in der Buchhaltung abzubauen und die Arbeit auf die verbliebenen Köpfe zu verteilen – aber noch nicht klar ist, ob der Betrieb wirklich komplett schließen muss. Unwirksam ist eine Kündigung wegen Betriebsaufgabe auch, wenn sie nur vorgeben, den Betrieb aufzugeben, um Stellen einzusparen und die Kosten zu senken.
Ein etappenweiser Stellenabbau ist nur möglich, wenn dieser betrieblich begründet werden kann. „Firmen müssen dann plausibel darlegen können, warum nur bestimmte Stellen nicht mehr gebraucht werden“, erklärt Fachanwältin Iris Henkel. Können Unternehmen das nicht begründen, müssen Mitarbeitende bis zur Betriebsschließung beschäftigt werden.
Ab wann braucht es einen Sozialplan?
Wird das Unternehmen in Etappen geschlossen und sollen nicht alle Angestellten gleichzeitig entlassen werden, müssen Unternehmen vorher eine Sozialauswahl treffen und den „sozial Stärksten“ zuerst kündigen. Kriterien sind dabei etwa das Alter, der Familienstand und die Dauer der Betriebszugehörigkeit.
Welche Regeln gelten für eine Kündigung wegen Betriebsaufgabe im Kleinbetrieb?
Unternehmen mit zehn oder weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fallen als Kleinbetriebe nicht unter das Kündigungsschutzgesetz – sie haben es leichter, Mitarbeitende zu entlassen. Dennoch gelten für Kündigungen im Kleinbetrieb gewisse Regeln. So dürfen Unternehmen Teammitgliedern nicht wahllos kündigen und müssen ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme einhalten.
Verboten ist beispielsweise, Mitarbeitende aufgrund von Geschlecht oder Herkunft zu diskriminieren oder Fachkräfte mit kurzer Betriebszugehörigkeit den Kollegen, die schon sehr lange dabei sind, vorzuziehen.
Wann ist eine Kündigung wegen Betriebsaufgabe anzeigepflichtig?
Bei einer Betriebsschließung werden häufig gleich mehrere Beschäftigte entlassen, man spricht auch von Massenentlassung. Diese muss der Agentur für Arbeit schriftlich gemeldet werden, auch wenn mit den Gekündigten Aufhebungsverträge abgeschlossen wurden.
Welche Pflichten das betroffene Unternehmen hier hat, regelt § 17 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG). Hat der Betrieb etwa mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmer, liegt ab fünf gekündigten Mitarbeitern in 30 Tagen eine Massenentlassung vor. Mehr dazu steht im Merkblatt der Agentur für Arbeit.
Kündigung wegen Geschäftsaufgabe: Was gilt für Auszubildende?
Unternehmen können auch Auszubildenden bei einer Betriebsaufgabe kündigen. Allerdings sind Ausbilder verpflichtet, bei der Suche nach einem anderen Unternehmen zu helfen, in dem die Betroffenen ihre Ausbildung fortsetzen können. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sollten sich deshalb mit der Agentur für Arbeit in Verbindung setzen sowie mit ihrer Berufskammer.
Was gilt bei einer Betriebsschließung für befristete Verträge?
Besonders hoch sind die Hürden für eine Kündigung wegen Betriebsaufgabe bei befristeten Arbeitsverträgen. Diese können nur dann gekündigt werden, wenn sie eine entsprechende Kündigungsklausel enthalten – das gilt auch bei einer Betriebsaufgabe.
Ein Beispiel:
Ein Betrieb hat einen Mitarbeiter für ein Jahr befristet eingestellt. Dann muss der Betrieb unerwartet schließen. In solch einem Fall kann das Unternehmen den Arbeitsvertrag nicht vor dessen Ablaufdatum kündigen – es sei denn, der Vertrag enthält eine Klausel, die diese Möglichkeit vorsieht.
Fehlt eine entsprechende Klausel, besteht lediglich die Möglichkeit, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen einvernehmlichen Aufhebungsvertrag abschließen.
Wie kündige ich schwangeren und schwerbehinderten Mitarbeitern wegen Betriebsaufgabe?
Wollen Unternehmen Schwangeren oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Elternzeit kündigen, müssen sie vor der Kündigung wegen Betriebsschließung die Zustimmung der zuständigen Aufsichtsbehörde einholen. Eine Liste der Behörden findest du hier.
Bei schwerbehinderten Mitarbeitenden ist die Zustimmung des Integrationsamts (in einigen Bundesländern wurden diese Behörden in „Inklusionsamt“ umbenannt) vor einer Kündigung wegen Betriebsaufgabe erforderlich. Die zuständige Behörde findest du hier.
Muss ich bei einer Kündigung wegen Betriebsaufgabe Arbeitszeugnisse ausstellen?
Auch, wenn es den Betrieb nach der Geschäftsaufgabe nicht mehr gibt, sind Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verpflichtet, ihren Mitarbeitenden ein Zeugnis auszustellen – das hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 2011 klargestellt (Az.: 9 Ta 128/11).
Darf der Betriebsrat bei einer Kündigung wegen Geschäftsaufgabe mitbestimmen?
Ein vorhandener Betriebsrat muss vor dem Ausspruch der Kündigungen wegen Geschäftsaufgabe angehört und schriftlich über Namen und Kündigungstermine informiert werden. Er hat aber kein Mitbestimmungsrecht.
Bevor Unternehmen damit beginnen, die Schließung des Betriebs umzusetzen, müssen sie mit dem Betriebsrat einen Vertrag schließen, in dem geregelt ist, wann sie welche Betriebsänderung durchführen und welche Maßnahmen daraus folgen. Dieser sogenannte Interessenausgleich kann beispielsweise folgende Regelungen enthalten:
Zeitpunkt der Schließung des Betriebs
Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer
Zeitpunkt für (frühestmögliche) Kündigungen
Umschulungs- und Fortbildungsprogramme
Außerdem hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht beim Erstellen des Sozialplans.
Wann kann ich Betriebsräten wegen Geschäftsaufgabe kündigen?
Unternehmen können Betriebsräte frühestens zum Zeitpunkt der Stilllegung kündigen.
Muss ich bei einer Kündigung wegen Betriebsaufgabe eine Abfindung zahlen?
Im Normalfall müssen Arbeitgeber gekündigten Angestellten keine Abfindung zahlen; sie ist eine freiwillige Leistung. In einigen Fällen sind sie jedoch dazu verpflichtet: zum Beispiel, wenn Abfindungen tariflich oder in der Betriebsvereinbarung geregelt sind oder Mitarbeitende bisher grundsätzlich bei einer Kündigung eine Abfindung erhalten haben.
Nicht möglich ist, dass einzelne Beschäftigte eine Abfindung bekommen, während andere kein Geld erhalten. In Betrieben mit Betriebsrat kann dieser einen Sozialplan mit Abfindungen erzwingen. „Idealerweise habe ich für Abfindungen einen Geldtopf eingerichtet und die Verteilung des Geldes mit dem Betriebsrat vereinbart“, erklärt Arbeitsrechtlerin Iris Henkel.
Was ist bei einer Firmenschließung noch zu tun?
Verträge
Kündige Miet- und Pachtverträge, Lieferverträge, Leasingverträge, Lizenzverträge, Darlehens- und Wartungsverträge sowie alle sonstigen Verträge (Stadtwerke, Entsorgung, Strom, Telekommunikation, Rundfunkgebühr, Software, Zeitschriften, Mietwäsche) fristgerecht. Prüfe, ob du ein außerordentliches Kündigungsrecht hast.
Bankgeschäfte
Folgendes solltest du auflösen bzw. stornieren:
Geschäftskonten
Daueraufträge
Lastschriften/Einzugsermächtigungen
Kreditkartenverträge
Abmeldungen
Gewerbeamt
Sozialversicherung der Arbeitnehmer (Krankenkasse)
Zusatzversorgung der Arbeitnehmer (Zusatzversicherungskassen)
Betriebsnummern-Service (Bundesagentur für Arbeit)
Minijob-Zentrale (falls Mitarbeiter auf Minijob-Basis beschäftigt waren)
Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft) binnen zwei Wochen nach Betriebsaufgabe
Gewerbe (Statistisches Landesamt)
Kammer: z. B. IHK oder Handwerkskammer
selbstständige Tätigkeit (Finanzamt)
Außerdem musst du über einen Notar beim Amtsgericht die Löschung des Eintrags im Handelsregister anmelden.
Versicherungen
Bei einer Geschäftsaufgabe aus Altersgründen: Beantrage rechtzeitig deine Rente und kläre mit deiner Krankenversicherung, ob sich etwas für dich ändert.
Kündige Betriebsversicherungen wie Feuer-, Sturm- und Betriebsunterbrechungsversicherung und eine eventuell vorhandene eigene Unfallversicherung fristgerecht.
Kündige deine Betriebshaftpflichtversicherung – allerdings erst dann, wenn keine zeitlich verzögerten Schäden zu erwarten sind. Im Zweifel lassen sich befristete Nachversicherungen vereinbaren.
Weitere To-dos
Fahrzeuge um- bzw. abmelden
Post benachrichtigen (Nachsendeauftrag bei Standortwechsel)
Kunden/Geschäftspartner/Lieferanten informieren
Steuerberater über reduzierten Geschäftsumfang informieren (gegebenenfalls das Mandat kündigen)
Mitgliedschaften in Verbänden kündigen
Einträge im Internet löschen (Homepage löschen oder anpassen)
Betriebs- und Geschäftsausstattung entsorgen oder verkaufen (Mobiliar/Maschinen/Fahrzeuge)
Liquidität während der Abwicklungsphase planen
Nachhaftung bei Gewährleistung beachten
Gemietete Räume wiederherstellen und eventuell renovieren
Gegebenenfalls Räumungsverkauf organisieren, damit Gutscheine eingelöst werden können
Schlussbilanz und Aufgabegewinn
Neben der Steuererklärung für das letzte Geschäftsjahr braucht das Finanzamt eine Umsatzsteuerjahreserklärung zum Aufgabestichtag. Zudem müssen Unternehmer eine Schlussbilanz inklusive Inventarliste (mit Zeitwerten) abgeben. Dadurch werden die stillen Reserven offengelegt.
Aufbewahrungsfristen und Gewährleistungsfristen bestehen auch nach der Schließung fort. Bücher und Aufzeichnungen etwa müssen zehn Jahre lang aufbewahrt werden.
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