Dein Team wächst, aber der Output erhöht sich nicht so stark, wie du es erwartet hast? Dies kann an einem psychologischen Phänomen liegen, das als Ringelmann-Effekt bekannt wurde. Denn ob im Büro, im Projektteam, in der Werkstatt oder bei digitalen Meetings – wenn alle verantwortlich sind, fühlt sich oft keiner so richtig zuständig. Die Frage ist also: Wie kannst du die individuelle Verantwortung in deinem Team stärken?
Der Ringelmann-Effekt – einfach erklärt
„Der Ringelmann-Effekt beschreibt die Beobachtung, dass Menschen bei einfachen Aufgabenstellungen tendenziell weniger Arbeit leisten, wenn sie Teil einer Gruppe sind“, sagt die Psychologin und Beraterin Annette Feuchter. Entdeckt wurde dieser Effekt bereits Ende des 19. Jahrhunderts vom französischen Agraringenieur Maximilian Ringelmann: Er ließ Menschen alleine und in einer Gruppe Tauziehen und maß dabei ihren Kraftaufwand. Und stellte dabei fest: Alleine zog jede Person sehr stark, in der Gruppe aber strengten sie sich weniger an. Später griff die Forschung das Thema wieder auf und bezeichnete die Wirkung als soziales Faulenzen. Oder auf Englisch: Social Loafing.
Wodurch der Ringelmann-Effekt ausgelöst wird
Beim Ringelmann-Effekt spielt laut Annette Feuchter vor allem ein psychologischer Faktor eine Rolle: „Wenn Menschen sich nicht gesehen fühlen, sinkt die Motivation und das Gefühl von Selbstwirksamkeit.“ Damit schrumpfe das Gefühl, etwas zu bedeuten – und mit ihm der Wille, sich wirklich einzubringen.
„Der Ringelmann-Effekt wirkt meist unbewusst – anders als das gezielte Trittbrettfahren, bei dem jemand bewusst weniger leistet“, sagt die Expertin. „Die anderen machen das schon“ – das sei eine bewusste Entscheidung, sich zurückzuziehen. Beim Ringelmann-Effekt hingegen passiere das meist eher unbeabsichtigt.
Wie der Ringelmann-Effekt dem Unternehmen schadet
Die Ergebnisse werden schlechter, es kommt zu Verzögerungen und im Team entsteht eventuell eine schlechte Stimmung: das alles kann der Ringelmann-Effekt bewirken. „Wenn weniger Leistung erbracht wird, kann sich das nicht nur auf das Team, sondern auch auf das ganze Unternehmen negativ auswirken“, sagt Annette Feuchter.
Die Wirkung fällt dir eventuell erst auf, wenn einzelne Mitarbeitende sich besonders stark zurückziehen. Die Expertin warnt bei der Beurteilung aber davor, Leistung mit bloßem Aktionismus zu verwechseln. Annette Feuchter hat in einer Studie gezeigt: Gruppen, in denen sich nicht alle sofort aktiv einbringen, schneiden bei komplexen Aufgaben langfristig oft besser ab. Daher solltest du als Führungskraft genau abwägen, bevor du vorschnelle Schlüsse ziehst – und stattdessen langfristig ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem jede Person angeregt wird, ihr Bestes zu geben.
Fünf Dinge, die du als Führungskraft gegen den Ringelmann-Effekt tun kannst
1. Klare Verantwortlichkeiten definieren
Ein echtes Verantwortungsgefühl entsteht nur, wenn eindeutig geregelt ist, wer wofür zuständig ist. „Entscheidend ist eine klare Aufgabenvereinbarung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden“, sagt Annette Feuchter. Anstatt also im Kundenservice pauschal zu sagen: „Das Team kümmert sich um die Kundenanfragen“, solltest du die Zuständigkeiten konkret benennen: „Mitarbeiter A beantwortet die E-Mails von Montag bis Mittwoch, Mitarbeiterin B übernimmt Donnerstag und Freitag.“
2. Mehr Transparenz schaffen
Damit es dir gelingt, den Ringelmann-Effekt zu reduzieren, gilt es, nicht nur Verantwortung zuzuweisen, sondern die Zuständigkeiten auch für alle sichtbar zu machen. Jeder im Team sollte wissen: Wer macht was und spielt welche Rolle im Team? Annette Feuchter zufolge sind agile Techniken besonders wirkungsvoll, um Transparenz zu schaffen: Kanban-Boards machen Aufgaben und Zuständigkeiten auf einen Blick erkennbar und in regelmäßigen Stand-ups teilt jede Person regelmäßig ihren Fortschritt.
3. Die individuelle Sichtbarkeit erhöhen
Ein weiterer Hebel gegen einen Leistungsverlust im Team: Du solltest als Führungskraft jeder und jedem das Gefühl geben, dass du sie und ihre Arbeit wahrnimmst. „Wichtig ist, dass Führungskräfte wissen, was ihre Mitarbeitenden leisten – und ihnen zum Beispiel in Einzelgesprächen spiegeln, dass sie gesehen und geschätzt werden“, sagt Annette Feuchter. Wie das in der Praxis aussehen kann: durch regelmäßige 1:1-Gespräche, oder indem du Mitarbeitenden in Teamrunden spiegelst, dass ihre Wortmeldungen und ihr Engagement auffallen – und wertvoll sind.
4. Die Leistung anerkennen
„Mitarbeitenden ist es wichtig, dass ihre Leistung auf Augenhöhe anerkannt wird“, sagt Annette Feuchter. Das klappt, wenn Erfolge und die Bedeutung für das Team und Unternehmen klar kommuniziert und auch gefeiert werden. Möglichkeiten dies umzusetzen sind zum Beispiel kurze „Erfolgsrunden“ im Teammeeting, bei denen jede Person erzählt, was er oder sie erreicht hat. Auch kleine Aufmerksamkeiten wie ein gemeinsames Frühstück oder symbolische Prämien stärken die Motivation. Finanzielle Anreize können zusätzlich wirken – müssen aber nicht der einzige Hebel sein.
5. Das Team verkleinern
Um die Effizienz und Verantwortungsgefühl der einzelnen Teammitglieder zu stärken, kann es sinnvoll sein, größere Teams aufzuteilen – etwa ein großes Marketingteam in ein Kampagnenteam für Social Media und eines für E-Mail-Marketing. „Es heißt, bei einer Teamgröße von drei bis sieben Personen klappt die Zusammenarbeit meist besser“, sagt Annette Feuchter. Auch große Meetings lassen sich durch kleinere, klar fokussierte Arbeitsgruppen mit messbaren Zielen ersetzen.
So wirkt der Ringelmann-Effekt auf Mitarbeitende im Homeoffice
Vor allem, wenn einzelne Mitarbeitende sich bei der virtuellen Arbeit weniger gesehen fühlen, könne Homeoffice den Ringelmann-Effekt verstärken, so Annette Feuchter. Um dem entgegenzuwirken, kannst du als Führungskraft gezielte Maßnahmen ergreifen: Dazu gehören zum Beispiel regelmäßige virtuelle Treffen oder die verstärkte Nutzung von Chats – etwa mit einem „Working-out-loud“-Kanal“, indem alle schreiben, was sie gerade so machen.
Auch KI kann den Ringelmann-Effekt auslösen
Auch Künstliche Intelligenz kann den Effekt haben, dass sich Teammitglider zurückziehen und sich auf die Leistung der Technik verlassen. Eine Studie der TU Berlin stellt fest, dass der Ringelmann-Effekt nicht nur durch zusätzliche Personen, sondern auch durch den Einsatz von KI ausgelöst werden kann. Die Mitarbeitenden würden dazu neigen, soziale Regeln, Erwartungen und Verhaltensmuster aus der menschlichen Interaktion auch dann anzuwenden, wenn sie Technik nutzen, so die Studie.
Die Einführung von KI könne zusätzlich den sozialen Rückzug fördern, weil sie eine große Veränderung darstellt, bei der einzelne Mitarbeitende einfach nicht mitkommen, sagt Annette Feuchter. Führungskräfte sollten solche Neuerungen daher frühzeitig ankündigen, gegebenenfalls Rollen und Aufgaben neu definieren und vor allem: das Team fit für die Arbeit mit KI machen.
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