Virtuelle Nummern, Profi-Tools und Reise-SIM – Wegwerfnummern Teil 4

Im letzten Teil der Serie schauen wir einige exotische Lösungen an und prüfen, ob man damit einfach, günstig und regelmäßig eine Wegwerfnummer für die Angabe bei Registrierungen und Shops erhält. Zuerst werfen wir den Blick auf einige deutsche Nischenanbieter: Sipgate, ein Spezialist für IP-Telefonie und virtuelle Nummern inklusive sein Endkunden-Portal Satellite und der kleinere Konkurrent […]

Jun 23, 2025 - 10:30
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Virtuelle Nummern, Profi-Tools und Reise-SIM – Wegwerfnummern Teil 4

Logo WegwernummernIm letzten Teil der Serie schauen wir einige exotische Lösungen an und prüfen, ob man damit einfach, günstig und regelmäßig eine Wegwerfnummer für die Angabe bei Registrierungen und Shops erhält.

Zuerst werfen wir den Blick auf einige deutsche Nischenanbieter: Sipgate, ein Spezialist für IP-Telefonie und virtuelle Nummern inklusive sein Endkunden-Portal Satellite und der kleinere Konkurrent seven.io (ehemals sms77).

Dann schauen wir uns auf dem großen Markt der „Travel SIM“ um, der sich an Reisende außerhalb der EU richtet. Die müssten ja sonst mit ihren ausländischen Tarifen in Europa sehr hohe Roaming-Gebühren zahlen.  Allerdings blieben hier nach genauerem Blick für unsere Zwecke nur sehr wenige Anbieter übrig: Sehr viele Travel-SIM bieten nur Datentarife an. Und die wenigen Anbieter, die Nummern im Angebot haben, bieten sie oft nicht für die Region Europa an.

Schließlich finden wir doch welche und probieren staunend aus, ob wir über Singapur wirklich eine österreichische Mobilnummer mit Kryptowährung und ohne Ausweisprüfung erhalten.

Dieser Beitrag ist Teil einer Artikelserie:

1. Satellite: Sackgasse mit einer Nummer

Satellite.me ist ein Endkunden-Produkt von dem Profi-Anbieter Sipgate GmbH, den wir im nächsten Abschnitt noch kurz erwähnen. Wie fraenk aus Teil 2 unserer Testserie ist Satellite nur per App zu benutzen.

Virtuelle Nummer ohne SIM

Anders als bei fraenk handelt es sich bei Satellite nicht um eine SIM-Lösung. Satellite ist eine virtuelle Nummer, die auf der Datenverbindung des Smartphones aufsetzt. Daher funktioniert Satellite auch auf Handys als Zweitnummer, die keine zweite SIM/eSIM benutzen können.

Satellite gibt es in einer kostenlosen Variante für Privatpersonen und in einer Business-Variante. Bei der Preisgestaltung wird aber schnell klar, dass die Lösung zwar gut für eine dauerhafte zweite Nummer ist, für den Zweck einer regelmäßig geänderten Wegwerfnummer aber eine Sackgasse ist. Denn im kostenlosen Tarif bekommt man nur eine Nummer und kann die auch nicht wechseln. Im Business-Tarif kann man zwar eine Nummer für angemessene 4,99€ hinzubuchen – aber der Grundtarif sind hier schon 44,95€. Damit liegt das Angebot weit über den anderen Lösungen im Test.

Die kostenlose Variante mit der einen Nummer habe ich mir trotzdem kurz angeschaut.

Ein Screenshot von der App RethinkDNS zeigt, dass die App Satellite verschiedene Verbindungen zu Googleservern aufbaut. Man sieht firestore.googleapis.com und firebaseio.com. Dazwischen ist der Server von Satellite selbst: api.satellite.me.

Das werten wir als nicht rechtskonformes Tracking: Satellite leitet IDs an verschiedene Google-Dienste wie Firebase weiter. Das lässt sich leider auch nicht komplett blockieren.

Beim ersten Start der App werden leider gleich einige Analysedienste kontaktiert, darunter Firebase, Mixpanel und Firebase Crashlytics. Das ist natürlich nicht ideal, da wir den ganzen Aufwand ja betreiben, um weniger getrackt zu werden. Eigentlich könnte man zwar mit einem DNS-Trackingblocker wie RethinkDNS (Kurztest) die App isolieren und dann manuell herausfinden, welche Verbindungen wirklich notwendig sind (zum Beispiel api.satellite.me). Da die App sich allerdings stark auf Google-Dienste stützt, ist das ein ziemliches Ratespiel, offenbar werden auch Google-Verbindungen wie firebasedatabase.app und firebaseio.com benötigt.

Nach einer Eintragung der Daten muss man mehrere Tage auf einen Brief per Post warten, bei mir hat es fast eine Woche gedauert. Dann konnte ich den Code in der App eingeben und wurde freigeschaltet.

Ein Screenshot der App satellite: Man sieht die Einstellungen, darunter ist eine Mobilnummer notiert: 015679XXX. Darunter sind einige Menüpunkte wie Telefonie, KI-Funktion, Erweiterte Einstellungen.

Das hat in der Theorie geklappt: Die App zeigt meine neue (virtuelle) Mobilnummer.

Eine Nummer habe ich nun. Meine Test-SMS sind aber leider in beide Richtungen nie angekommen. Das kann durchaus an meiner Verwendung von GrapheneOS und einer eingeschränkten Google-Play-Konfiguration liegen. Aber es zeigt auch, dass die Lösung mit virtuellen SMS doch zu Problemen führen kann. Update: Offenbar betrifft das SMS-Problem vor allem Einzel-SMS wie in diesem Fall. Automatisch versendete SMS, wie sie bei Registrierungen verwendet werden, werde offenbar oft erfolgreich durchgestellt. Warum das so ist, erklärt dieser Blogeintrag von Satellite und dieser Hilfeeintrag (via Leserkommentar). Ein Telefonanruf hat ohne Probleme geklappt.

Fazit: Für unsere speziellen Zwecke und mit gehobenem Datenschutzanspruch ist diese virtuelle Lösung kaum zu gebrauchen. Wer Apps aber ohnehin sorglos aus dem Playstore installiert, findet hier immerhin eine kostenlose Lösung, um dauerhaft eine zweite Nummer nutzen zu können – die sich aber nicht wechseln lässt und offenbar nicht ohne Probleme SMS empfängt.

2. Sipgate: Nur für Firmenkunden

Die Sipgate GmbH, die Düsseldorfer Firma hinter der Marke Satellite aus dem vorherigen Kapitel, bietet auch direkt unter der Marke Sipgate Produkte an. Die richten sich ausschließlich an Geschäftskunden. Nach der Anmeldung wird auch die Unternehmensform abgefragt, so dass Privatpersonen den Dienst eigentlich nicht ehrlich nutzen können. Früher war das offenbar anders, denn die AGBs erwähnen noch Privatkunden.

Fazit: Wir haben Sipgate nicht weiter getestet, weil es ausschließlich für Geschäftskunden ist. Für Vereine, Unternehmen oder Freiberufler wäre es aber ohnehin eine etwas zu umfangreiche und teure Lösung für eine gemeinsam genutzte Wegwerfnummer. Der günstigste Account kostet 12,95€ und enthält eine Mobilnummer. Jede weitere SIM kostet dann 4,95€.

3. Seven.io: SMS an API

Ein Profidienst mit nochmal höheren Kosten als Sipgate ist der deutsche Anbieter seven.io. Der Dienst wird von Unternehmen genutzt, um zum Beispiel über API SMS-Dienste oder Hotlinelösungen bereitzustellen. Seven.io ist also eine Art Backend oder Schnittstelle für Telefondienste.

Gleich etwas zu den Preisen: Der Dienst ist teuer. Für eine Nummer zahlt man 19,90€ im Monat, dazu kommen 9,90€ Einrichtungsgebühr. Diese Gebühr fällt auch bei jedem Nummernwechsel an. Die Verifizierung mit Personalausweis ist allerdings nur einmalig notwendig.

Der Dienst macht also für normale Nutzer’innen keinen Sinn, man muss schon ein sehr spezielles Setup planen, zum Beispiel eine Wegwerfnummer für eine kleine Organisation, einen Verein oder ein Unternehmen bereitstellen, wo dann die einlaufenden SMS auf einer internen Website oder per Rundmail an alle versendet werden sollen. Auch hier haben wir also keinen Test gemacht.

Für diese Zwecke interessant sind die folgenden Funktionen, die ich mal aus dem Hilfesystem für das Browser-Dashboard und die API herausgesucht habe. Je nach Anwendungsfall ist die eine oder andere Lösung technisch geeigneter:

1. Das Bereitstellen einer neuen Nummer (per Browser-Dashboard und per API)

2. Der Empfang einer SMS und die Weiterleitung an eine E-Mail (per Browser-Dashboard und per API)

3. Alle empfangenen SMS auslesen (nur per API)

Fazit: Wegen dem hohen Preis haben wir den Dienst nicht weiter getestet, die API-Funktionen sehen aber sehr interessant aus.

4. Etravelsim: Schnell und ohne Prüfung keine SMS empfangen

Bei ETravelSim, einem Unternehmen in Singapur, finden sich für verschiedene Länder eSIMs, die maximal einen Monat laufen. Eine Verlängerungsoption habe ich nicht gesehen. Allerdings entspricht die Nummer nicht dem Land, für das die Karte angeboten wird. So hat die Travel eSIM for Germany eine UK-Nummer. Damit ist die Karte für die Leute interessant, die nur selten eine Nummer brauchen und die keine Identifizierung durchlaufen wollen. Denn für eine UK-Nummer ist das offenbar nicht notwendig. Allerdings kann es natürlich sein, dass dadurch auch die Einsatzmöglichkeiten eingeschränkt sind: Bei manchen Portalen oder Shops ist die Vorwahl bei der Registrierung festgesetzt auf das deutsche +49. Eine Anmeldung mit einer UK-Nummer ist dann nicht möglich.

Für unsere Zwecke sind zwei Bestelloptionen wichtig: Wir wollen keine Unlimited-Rate, denn das wird sehr schnell teuer. Und wir wollen einen Tarif mit (z.B. 100) Local Calls, denn sonst ist es eine reine Daten-SIM und man bekommt keine Nummer.

Wenn man eine Europa oder UK-Karte wählt, kommt man so auf monatlich 5,95€.

Für den Bezahlprozess, der mit Shopify abgewickelt wird, muss ich eine E-Mail-Adresse und eine Mobilnummer angeben, was natürlich nicht unseren Zielen entspricht. Die Mobilnummer wird auch mit einer SMS abgefragt, so dass man eine reale Nummer angeben muss. Ich hatte wegen meiner Testserie zwar gerade genug Testnummern herumliegen, aber meine private Haupt-Handynummer würde ich auf keinen Fall nach Singapur senden.

Als Bezahloption steht Kreditkarte zur Verfügung. Wenn man unter der Anschrift und dem Button „Pay now“ auf „Check out as guest“ klickt, kann man auch Paypal nutzen.

Nur zwei Minuten später ist die eSIM dann auch schon im Posteingang. Das angehängte JPG enthält den QR-Code, den man über den eSIM-Dialog des Smartphones scannt.

Die große Enttäuschung kommt dann aber beim letzten Testschritt: Ich versuche, SMS von mehreren meiner mittlerweile zahlreich herumliegenden SIM-Karten und Testgeräten zu senden, aber keine kommt an. Die Telekom zeigt die SMS als zugestellt an, e-Plus zeigt einen Fehler „Nachricht nicht sendbar“. Auch von der etravelsim-Karte kann ich keine SMS an deutsche Mobilnummern versenden.

Anrufe funktionieren hingegen problemlos.

Fazit: Für unsere Zwecke aus mehreren Gründen nicht zu gebrauchen.

5. RedteaGO: Österreichische SIM an der Regulierung vorbei

Der letzte Anbieter im Test ist RedteaGO. Ebenfalls wie ETravelSim ein Unternehmen aus Singapur, wo man möglicherweise weniger strenge Datenschutzregeln hat wie in der EU. Nicht nur deshalb, sondern weil es der einzige Anbieter im Test ist, der neben den üblichen Zahlungsmethoden auch Kryptowährungen akzeptiert, habe ich für dieses Angebot mal eine Kryptozahlung ausprobiert. Vielleicht kriegt man so mit weniger Daten und Aufwand eine eSIM? Sonst sind Kryptowährungen normalerweise nicht so mein Fokus, also nehmt das bitte nicht als Anleitung, wie man so etwas durchdacht machen sollte.

Jedenfalls habe ich mir bei dem deutschen Kryptohändler bisonapp.de einen Account angelegt, was wiederum etwas aufwändiger war, weil man natürlich eine Identifizierung durchlaufen muss. Das ging aber mit der IDnow-App und dem Online-Ausweis ganz gut (die in der IDnow-App eingebauten Tracker von Firebase habe ich mit RethinkDNS geblockt). Dann habe ich mir die erstbeste Wallet aus dem F-Droid-Store gezogen und dann 23€ Ethereum (Mindestbetrag für Wallet-Auszahlungen) in die Wallet überwiesen. Am Ende musste ich mehrere Werktage warten, bis meine Wallet das Geld hatte. Dann stellte sich heraus, dass RedteaGO die Kryptowährung ETH(Base) und andere Varianten annimmt, aber nicht das originale ETH, das ich mir gekauft hatte. Also nochmals ETH über die Wallet in eine andere Kryptowährung namens USDT(ERC20) getauscht, was mich über 2$ gekostet hat. Wie ihr seht, habe ich meine Gründe, warum ich Kryptowährungen für nicht sonderlich laientauglich im Alltag halte.

Dann habe ich mich für das Europa-Paket für 4,50€ entschieden, dass mir zwar nur 2GB Daten, aber 90 Tage Anschluss verspricht. Mit der Wallet habe ich dann 4,6 USDT(ERC20) über Mixpay an den SIM-Anbieter gesendet.
Die eSIM kam als PDF und zeigt einen QR-Code für die Installation. Daneben ein paar Details zur eSIM-Bestellung wie Bestellnummer, Pläne und Preis.

Wenige Sekunden später bekomme ich auf der Website schon den eSIM-QR-Code zurück. Mehr brauche ich nicht.

Die Einstellung "SIM-Karten" von einem Android-Smartphone. Man sieht mehrere SIM-Karten. Die oberen beiden sind aktiviert: Telekom.de mit +49 171 XXX und Redtea Mobile mit +43 678 XXX.

Mit Android einscannen – und kurz danach habe ich eine österreichische Mobilnummer. Um ganz sicher zu gehen, dass die Nummer für Anmeldungen funktioniert, probiere ich noch eine Registrierung bei Ebay aus und auch das funktioniert tadellos.

Schon verrückt: Ich habe jetzt eine SIM-Karte für Österreich und dabei keinen Namen, keine E-Mail und keine Mobilnummer angegeben, sondern nur die Kryptoadresse aus meiner Wallet, die nur sehr schwierig und unter Mithilfe von Bison auf mich zurückzuführen wäre. Irgendwie ist das natürlich praktisch und datenschutzfreundlich, aber man wundert sich schon auch, warum die europäischen Anbieter so einen Kontrollaufwand betreiben müssen, wenn es eine solche komplette Regulierungslücke über einen Anbieter aus Singapur gibt, die seit mindestens fünf Jahren funktioniert.

Fazit: Wer ohnehin eine Kryptowallet hat, der findet hier die denkbar einfachste und datenschutzfreundlichste Variante, um an eine eSIM zu kommen. Ein eher unwahrscheinliche Problem in der Praxis könnte für Deutsche sein, dass eine deutsche Plattform, auf der man sich anmeldet, keine österreichische Nummer akzeptiert. Weil die eSIM aber nur eine Gültigkeit von 90 Tagen hat, muss man mit etwas höheren Kosten rechen als bei einer klassischen Prepaid-Lösung (siehe zweiter Teil).

6. Silent.link und Airalo

Weil hoher Preis haben wir diese Travel-SIM-Anbieter nicht näher angeschaut, aber verlinken sie trotzdem:

Ein ähnlicher Anbieter wie RedteaGO ist silent.link, dort gibt es ausschließlich gegen Kryptowährung relativ teure Jahresaccounts … und die waren zum Zeitpunkt meines Tests auch gerade ausverkauft.

Auch bei Airalo kann man eine eSIM mit US-Nummer kaufen, die auch in Europa funktioniert. Die Preise sind mit 12€/Monat (bei einer Laufzeit für ein halbes Jahr) deutlich höher als bei den anderen Lösungen in dieser Testserie.

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