Es gibt Menschen, die eine besondere Gabe haben: Jedes Gespräch mit ihnen fühlt sich bedeutsam an. Charles Duhigg musste auf die harte Tour lernen, dass er nicht zu diesen kommunikativen Naturtalenten zählt. Als der amerikanische Journalist die Leitung eines Projekts in seiner Redaktion übernahm, wollte Duhigg eine gute Führungskraft sein. Er machte Zeitpläne und verteilte Zuständigkeiten, hatte für jedes Problem eine Lösung parat.
Doch sein Team war gar nicht mit seiner Führung zufrieden. Er ignoriere ihre Vorschläge und höre nicht richtig zu, kritisierten sie. „Sie wollten darüber sprechen, wie Leute miteinander umgehen, aber ich war besessen von praktischen Lösungen“, schreibt Duhigg in seinem Buch „Supercommunicators. Wie man die geheime Sprache zwischenmenschlicher Beziehungen entschlüsselt“ (Berlin Verlag, 400 Seiten, 26 Euro). In dem Buch beschreibt er, was Superkommunikatoren – so nennt er die Menschen, denen Unterhaltungen intuitiv gelingen – besser machen als der Durchschnitt.
Duhigg hat in seinem Buch vier zentrale Regeln abgeleitet, die im Führungsalltag helfen, besser zu kommunizieren.
Regel 1: Achte darauf, welche Art von Dialog geführt wird
Eine Chefin möchte mit einem Mitarbeiter im wöchentlichen Jour fixe Absprachen zum Zeitplan eines Projekts treffen. Der Mitarbeiter wiederum möchte mit ihr über seine Bedenken wegen eines Details des Projekts sprechen.
Was passiert? Die beiden reden aneinander vorbei. Die Führungskraft fühlt sich in ihrer Planung von den Bedenken des Mitarbeiters ausgebremst. Der Mitarbeiter fühlt sich nicht ernstgenommen. Am Ende gehen beide mit schlechter Laune aus der Unterhaltung.
Das Grundproblem dieses Gesprächs: Die beiden wollten unterschiedliche Arten von Unterhaltungen führen. Die Führungskraft wollte über Praktisches reden. Der Mitarbeiter jedoch wollte Sorgen loswerden.
In jedem Gespräch stecken drei Dialoge, die unterschiedliche Gesprächstechniken erfordern, so der Autor Duhigg.
Ein praktisch orientierter Austausch.Dieser Dialog hat zum Beispiel zum Ziel, Entscheidungen zu treffen oder Pläne zu schmieden.
Ein emotionaler Dialog.Dessen Ziel ist, dem Gegenüber die eigenen Gefühle klarzumachen.
Ein sozialer Dialog.In diesem Gespräch wollen die Sprechenden Informationen über sich selbst preisgeben, über ihre Erfahrungen oder ihren persönlichen Werdegang zum Beispiel.
„Effektive Kommunikation setzt voraus, dass man erkennt, um welche Art von Dialog es sich handelt, und sich darauf einstellt“, so Duhigg. Damit das gelingt, sollten Führungskräfte vor wichtigen Gesprächen zwei Fragen klären:
Welche Art von Dialog möchte ich führen?
Welchen Dialog strebt mein Gegenüber an?
Die erste Frage können sich Chefinnen und Chefs selbst beantworten. Es reiche normalerweise, vor der Unterhaltung ganz kurz innezuhalten, um sich darüber klarzuwerden, so Duhigg.
Die zweite Frage kann nur das Gegenüber beantworten. Führungskräfte sollten mit Fingerspitzengefühl nachhaken. Wenn eine Mitarbeiterin zum Beispiel über ihre viel zu lange To-do-Liste klagt, kann die Führungskraft sie fragen: „Was ist dir gerade wichtig: Möchtest du gerade vor allem Frust loswerden oder soll ich dir helfen?“
So kann die Mitarbeiterin klarmachen, ob es ihr um den emotionalen Austausch geht oder ob sie ein praktisches Gespräch über ihre Aufgaben führen möchte. Es kann auch sein, dass sich der Charakter des Gesprächs im Verlauf verändert und die Mitarbeiterin erst ihren Frust rauslässt und im Anschluss offen für Vorschläge von ihrer Führungskraft ist.
Regel 2: Teile deine Ziele mit und frage, was andere suchen
Duhigg berichtet in seinem Buch von einem Experiment, das Forscherinnen und Forscher an der Harvard-Universität durchgeführt haben: Sie baten die Teilnehmenden, vor einem Gespräch 30 Sekunden lang zu notieren, worüber sie sprechen wollen. Überraschenderweise kamen diese Themen in den anschließenden Gesprächen oft nicht zur Sprache. Doch die Unterhaltungen verliefen für die Probandinnen und Probanden trotzdem angenehmer als Gespräche, auf die sie sich nicht vorbereitet hatten. Diese Unterhaltungen waren weniger von Pausen unterbrochen, die Teilnehmenden fühlten sich weniger angespannt und dafür stärker ins Gespräch eingebunden.
Insbesondere vor wichtigen und potenziell unangenehmen Gesprächen profitieren Führungskräfte davon, Gespräche vorzubereiten. Duhigg listet in seinem Buch drei einfache Fragen auf, die dabei helfen:
Welche zwei Themen möchte ich besprechen?
Was ist die eine konkrete Sache, die ich gern sagen möchte?
Welche Frage möchte ich meinem Gesprächspartner stellen?
Diese Liste können Führungskräfte jedoch im Gespräch nicht einfach nur abarbeiten. Sie sollten gleichzeitig im Blick behalten, wie die andere Person reagiert, insbesondere darauf, ob sie sich auf das Gespräch einlassen möchte. „Es ist leicht, diese Reaktionen zu übersehen, weil das Sprechen so viel von unserer geistigen Bandbreite in Anspruch nimmt“, warnt der Autor.
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Seine Tipps, worauf du achten könntest: Anzeichen dafür, dass du deine Gesprächspartner für dich gewonnen hast, sind zum Beispiel Blickkontakt und Lächeln sowie Rückmeldungen durch Nicken, Kopfschütteln oder kurze Kommentare. Ein gutes Zeichen ist auch, wenn dich jemand unterbricht, um Nachfragen zu stellen oder eigene Gedanken zu äußern.
Verloren hast du Gesprächspartner, die eher an dir vorbeischauen, in deren Gesicht sich nicht viel tut, die besonders nachdenklich aussehen und deine Worte hinnehmen, ohne eigene Gedanken zu äußern.
Wenn das passiert, sollten Führungskräfte besonders darauf achten, auf welche Themen die andere Person das Gespräch zu lenken versucht – und darauf eingehen. „Wenn jemand dieselbe Frage auf unterschiedliche Weise stellt oder plötzlich ein neues Thema einführt, ist das ein Zeichen dafür, dass er etwas auf den Tisch bringen will, und wir tun gut daran, ihn fortfahren zu lassen“, schreibt Duhigg.
Regel 3: Frage nach den Gefühlen der anderen und teile deine eigenen mit
Der Gesprächsrahmen kann noch so professionell sein: Menschen können in Unterhaltungen ihre Emotionen nicht komplett ausschalten. „Selbst, wenn wir diese Emotionen nicht anerkennen, sind sie immer noch da – und wenn sie ignoriert werden, werden sie wahrscheinlich zu Hindernissen für eine Verbindung“, warnt Duhigg.
Doch wie gelingt es, Emotionen und Gefühle am Arbeitsplatz zu besprechen? Duhigg rät, Fragen zu stellen, die andere dazu einladen, sich zu öffnen. Er nennt die Art von Fragen „deep Questions“ – tiefe Fragen. Das sind Fragen, die nicht einfach nur Fakten abfragen, sondern die das Interesse an den Werten, Meinungen und Erfahrungen der anderen Person zeigen, zum Beispiel: „Was hältst du von …“ oder „Wie hast du die Arbeit an dem Projekt empfunden?“
Tiefe Fragen ergründen, wie sich der Gesprächspartner fühlt. Gleichzeitig geben diese Fragen auch etwas über die Person preis, die sie stellt. „Dieses Gefühl könnte uns stocken lassen. Studien zeigen jedoch, dass Menschen fast immer froh sind, wenn sie eine tiefgründige Frage gestellt bekommen und beantwortet haben“, schreibt Duhigg.
Die beste Frage führt jedoch zu nichts, wenn es danach nicht gelingt, Interesse an der Antwort zu zeigen. Dafür bedarf es mehr als ein paar zustimmender Laute und Nicken.
Eine Technik ist das „Looping“. Die einfache Technik stellt sicher, dass Gesprächspartner einander verstehen und sich gegenseitig zuhören. So gehst du vor:
Stelle Nachfragen, um zu verstehen, was jemand dir erzählt.
Fasse das Gesagte in deinen eigenen Worten zusammen.
Frage, ob du es richtig verstanden hast.
Wiederhole die Schritte, bis sich alle Gesprächsteilnehmer einig sind, dass sie einander verstehen.
„Ziel des Loopings ist es nicht, die Worte einer anderen Person nachzuplappern, sondern die Gedanken einer anderen Person in die eigene Sprache zu destillieren und ihr zu zeigen, dass man sich bemüht, ihre Perspektive zu verstehen“, erläutert Duhigg in „Supercommunicators“.
Regel 4: Untersuche, ob Identitäten für diese Diskussion wichtig sind
Nicht nur das Wie, sondern auch wer miteinander redet, hat einen Einfluss auf den Verlauf eines Gesprächs. Führungskräften fällt es zum Beispiel sehr wahrscheinlich leichter mit Bewerbern ins Gespräch zu kommen, die an derselben Universität studiert haben, als mit Kandidaten, mit denen sie nichts so offensichtlich verbindet.
Die Information zur Uni steht im Lebenslauf. Doch nicht immer sind Gemeinsamkeiten am Arbeitsplatz so leicht auszumachen. „Wir alle enthalten mehrere Ichs; niemand von uns ist eindimensional“, betont Duhigg. Er rät daher, in Gesprächen auszuloten, wo die Gesprächspartner gemeinsame Identitäten haben.
Im Unternehmen scheinen die Rollen vermeintlich klar verteilt. Sie stehen schließlich als Job-Bezeichnung in der E-Mail-Signatur: Vertriebsleiterin, Sachbearbeiter, CEO. Doch außerhalb der Arbeit ist die Vertriebsleiterin auch die Gründerin eines sozialen Vereins, der Sachbearbeiter ist Vater, die CEO läuft Triathlon.
Sich daran zu erinnern, dass alle verschiedene Identitäten haben, helfe besonders in schwierigen Gesprächen, so Duhigg. „Diese Art von Gesprächen ist schwierig, weil sie das Selbstwertgefühl eines Menschen bedrohen können“, schreibt der Autor. Gemeinsame Identitäten zu finden, hilft auch in diesen Fällen, Verbindungen aufzubauen.
Muss eine Führungskraft zum Beispiel einem Mitarbeiter aus dem Vertrieb ein kritisches Feedback geben, dreht sich die Kritik um seine Rolle als Vertriebler – und sollte sich auch nur darauf beziehen, nicht auf seine anderen Identitäten.
Mehr dazu, wie du nachvollziehbares Feedback formulierst, liest du hier: 3W-Feedback: Die einfachste Formel für Feedback, das wirkt
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