So wird Spotify zum sozialen Medium: Vom Streaming zur Interaktion

Spotify entwickelt Features, die das Hörerlebnis mit Social-Media-Komponenten erweitern – darunter ein eigenes Create-Menü à la Instagram. Audio wird nicht mehr nur gehört, sondern gestaltet, geteilt und gemeinsam erlebt. Auch andere Plattformen rücken näher an die Social-Welt.

Mai 14, 2025 - 12:12
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So wird Spotify zum sozialen Medium: Vom Streaming zur Interaktion

Spotify befindet sich im Wandel: Vom reinen Audio-Streaming-Dienst hin zu einer interaktiven, sozialen Plattform mit Videostrategie. Mit einem neuen Create-Menü, das an Instagram erinnert, bringt Spotify erstmals zentrale Gestaltungselemente direkt ins Interface: Playlists, Jams, ein neues AI Feature und kollaborative Formate rücken das soziale Musikerlebnis in den Fokus.

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Ergänzt wird dieser strategische Kurs durch den weiterentwickelten KI-DJ, der personalisierte Musikwünsche in Echtzeit umsetzt. Was 2023 als experimentelles Feature begann, hat sich zu einer dialogorientierten Funktion entwickelt – und unterstreicht Spotifys Ambitionen, Nutzer:innen aktiv ins Musikerlebnis einzubinden.

Von der Playlist zur Plattform: Interaktive Nutzung im Zentrum

Mit dem neuen Create-Menü rückt Spotify das soziale Musikerlebnis weiter in den Fokus. Es wurde kürzlich in der App getestet. Ob gemeinsame Jams, AI-Playlists, kollaborative Mixe oder persönliche Vibes: Nutzer:innen werden zu aktiven Co Creator ihres Sounds. Der Social-Experte Chris Messina deutete auf Threads an, dass dies ein „Prelude to the Spotify social network“ sein könnte. Ein Hinweis auf die wachsende Verbindung von Musik, Identität und Interaktion.

Diese Social-Logik ergänzt Spotify durch Features wie Blend, Collaborative Playlists und den KI-DJ. Der erstellt nicht nur personalisierte Sessions, sondern versteht inzwischen auch Sprachbefehle. So entsteht ein Ökosystem, in dem Musik geteilt, kommentiert und gemeinsam erlebt wird – situativ, kreativ und sozial.

Schon im November 2024 hatte Spotify einfache Sharing-Funktionen für TikTok und Instagram eingeführt. Damit lassen sich Audioinhalte direkt in Stories oder Reels posten. Ein früher Hinweis auf den Social-Kurs – und ein Schritt, um Reichweite über Plattformgrenzen hinaus zu ermöglichen.

In Kombination mit dem Create-Menü und neuen KI-Features wird Spotify so immer mehr zu einem Ort, an dem Musik Ausdruck von Persönlichkeit, Kreativität und digitaler Gemeinschaft ist.


So geht’s:
Spotify Song Sharing mit TikTok und Instagram

4 Smartphone Mockups mit Spotify und TikTok App auf Screen, violetter Hintergrund
© Spotify via Canva


Musik auf Zuruf – in Echtzeit personalisiert

Ab sofort können Premium User in über 60 Ländern, allerdings bislang nur auf Englisch, direkt mit Spotifys KI-DJ interagieren. Die Funktion basiert auf natürlicher Spracheingabe und ermöglicht es, Wünsche wie „Play me some cry-in-the-car songs“ oder „Give me electronic beats for a midday run“ zu äußern. Die Umsetzung erfolgt sofort – auf Basis individueller Hörgewohnheiten, redaktioneller Expertise und KI-gestützter Mustererkennung.

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Der DJ, der erstmals 2023 eingeführt wurde, wurde seither kontinuierlich weiterentwickelt. Was ursprünglich als KI-gestütztes Musik-Feature in der Spotify App startete, hat sich heute zu einer dialogorientierten Erlebnisfunktion entwickelt. Gesprochen wird der DJ von Xavier „X“ Jernigan, der in den USA aufgrund seiner Podcast- und Moderationstätigkeit bekannt ist. Die KI simuliert eine persönliche Ansprache, die zwischen algorithmischer Präzision und menschlicher Nahbarkeit vermittelt. Das Ergebnis: ein personalisierter Musikfluss, der auf spontane, kontextbezogene Bedürfnisse eingeht. Und so funktioniert das neue DJ Feature:

  1. In der Spotify App nach „DJ“ suchen und auf „Play“ tippen.
  2. Der DJ startet eine persönliche Musik-Session mit Kommentaren.
  3. Um eine Anfrage zu stellen, die DJ-Taste unten rechts gedrückt halten, bis ein Signalton ertönt.
  4. Wunsch äußern – zum Beispiel nach Genre, Stimmung oder Anlass.
  5. Der DJ passt die Session sofort an deinen Wunsch und Hörverlauf an.
  6. Für neue Vibes einfach erneut drücken – oder mit einem Tipp weiterspringen.

Die Playlist als Ausdruck digitaler Identität

Was heißt das konkret für Spotify? Musik wird mehr und mehr zum Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Nutzer:innen erstellen nicht einfach nur Playlists – sie gestalten sie bewusst, teilen sie mit anderen und können dank KI sogar per Sprache sagen, was sie gerade hören möchten. Die eigene Musikauswahl wird damit so etwas wie ein digitales Statement – ähnlich wie ein Profilbild oder ein Beitrag auf Instagram.

Diese Entwicklung hin zu mehr Ausdruck, Wahlfreiheit und Interaktion zeigt sich nicht nur beim Musikhören, sondern prägt auch andere Formate auf der Plattform – insbesondere Podcasts. Spotify bietet längst die Möglichkeit, kurze Video-Clips im TikTok- oder Instagram-Stil zu teilen, die gezielt auf Discoverability im digitalen Raum ausgelegt sind und zur Weiterverbreitung animieren. Wie stark Spotify sich dabei als kreatives Ökosystem neu aufstellt, macht Saruul Krause-Jentsch, Head of Podcast bei Spotify DACH, im Gespräch mit OnlineMarketing.de deutlich:

Wir glauben daran, dass der neue Standard quasi Audio und Video ist.

Ziel sei es, Creator maximale Gestaltungsfreiheit zu bieten – und Formate zu ermöglichen, die sowohl künstlerisch überzeugen als auch wirtschaftlich tragfähig sind. Das vollständige Interview gibt es als Artikel auf OnlineMarketing.de und als Podcast-Folge im Rahmen des Digital Bash.


Warum wir Podcasts plötzlich anschauen
– Interview mit Saruul Krause-Jentsch

Video-Podcast-Trend
© Prateek Katyal – Unsplash (Änderungen wurden vorgenommen via Canva)



Social-first als strategisches Prinzip: Spotify im Wettbewerb

Auch abseits klassischer Social-Plattformen positionieren sich Unternehmen zunehmend als soziale Netzwerke im erweiterten Sinne. Airbnb etwa hat das eigene Plattformmodell deutlich ausgebaut, berichtete kürzlich TechCrunch: Neben Unterkünften können Nutzer:innen inzwischen in über 100 Städten buchbare Services wie private Dinner, Massagen oder Fotografieerlebnisse auswählen. Im sozialen Kontext plant das Unternehmen, über die App künftig Gruppen-Chats für Reisende bereitzustellen, die gemeinsam an einer Aktivität teilgenommen haben. So sollen Erlebnisse nachbereitet, Fotos und Videos geteilt und Empfehlungen für zukünftige Reisen ausgetauscht werden können.

Zwei Smartphone Screens mit der Airbnb App: Links eine Übersicht geplanter Erlebnisse mit Gästeliste, rechts ein Gruppen-Chat mit Videovorschau und Nachrichten zur gemeinsamen Aktivität.
Airbnb erweitert das Messaging Feature für Experiences, © Airbnb

Airbnb erhofft sich davon nicht nur mehr Community-Interaktion, sondern auch eine stärkere Reiselust – und damit eine intensivere Nutzung der eigenen Plattform. Begleitend dazu entwickelt das Unternehmen eigene Datenschutzfunktionen, um den sicheren Umgang mit diesen sozialen Verbindungen zu gewährleisten. Bereits 2024 hatte Airbnb die Profilseiten überarbeitet und mehr Raum für persönliche Angaben wie Wohnort oder gesprochene Sprachen geschaffen. Laut Judson Coplan, VP of Product Marketing, verzeichnete die Plattform daraufhin eine Verfünfzehnfachung vollständig ausgefüllter Profile. Für Coplan ein klares Signal:

There was a huge increase in a number of people who wanted to share more about themselves. For us, that was a clue that travel is something about connections.

Auch Google integriert soziale Komponenten in die eigenen Kernprodukte. Über das neue What’s Happening Feature innerhalb von Google Business Profiles können Unternehmen tagesaktuelle Angebote, Events oder Konzerte als story-ähnliche Formate veröffentlichen – prominent platziert, kontextbezogen, visuell aufbereitet. Damit wird aus dem klassischen Profil ein dynamisches Interface für lokale Interaktion.

Nicht zuletzt verfolgt auch OpenAI einen vergleichbaren Kurs. Das auf KI spezialisierte Unternehmen entwickelt neben den Kernfunktionen erste soziale Komponenten – mit einem besonderen Fokus auf Bildgenerierung. Wie in unserem Artikel beschrieben, testet OpenAI aktuell einen Social Feed, der auf der GPT-4o Image Generation basiert. Bereits in der ersten Woche wurden mit dem KI-Bildgenerierungs-Tool über 700 Millionen Bilder erstellt – ein deutliches Zeichen für das kreative und potenziell gemeinschaftliche Nutzungspotenzial. Mit einer eigenen Image Library schafft OpenAI zudem eine Grundlage für den Austausch rund um KI-gestützte Kreationen und öffnet sich damit behutsam in Richtung community-orientierter Plattformstrukturen.


Fokus auf Bildgenerierung:
Stellt OpenAI bald ein Social Network vor?

Katze hält ein Bild der Queen (Elizabeth II.), Büro verschwommen im Hintergrund
KI-generiertes Bild, © OpenAI via Canva


Relevanz vor Reichweite: Neue Chancen – und neue Herausforderungen für Marken

Für Brands entstehen durch die neue soziale und interaktive Ausrichtung von Spotify durchaus spannende Möglichkeiten. Sie können sich gezielt in Stimmungen, Alltagssituationen oder emotionalen Momenten positionieren – etwa durch Audio-Spots, die in passende Playlists integriert werden, sei es für den Workout, das Abendessen oder den Weg zur Arbeit. Dabei zählt weniger, wie oft eine Werbung ausgespielt wird, sondern vielmehr: Wird sie im richtigen Moment gehört? Und fühlt sie sich dort stimmig an?

Spotify entwickelt sich außerdem zunehmend zur Social-Audio-Plattform – mit Features, die auf Echtzeit, Personalisierung und Community setzen. Doch in der Kombination dieser Entwicklungen liegt auch die Herausforderung für Marketer: Wer sich als Brand in solch persönliche Nutzungsszenarien einklinkt, muss besonders glaubwürdig und sensibel agieren. Ein Spot, der den Vibe stört oder zu aufdringlich wirkt, kann schnell das Gegenteil bewirken – und statt Bindung eher Ablehnung erzeugen. Relevanz wird zur Währung, aber sie lässt sich nicht erzwingen. Marken, die diesen Kontext verstehen und respektieren, haben die Chance, ihre Zielgruppen auf eine neue, nachhaltigere Weise zu erreichen.

Spotify im Social Shift

Spotify denkt Musik neu – und zwar als soziales Erlebnis. Mit dem Create-Menü, KI-Features, Sharing-Optionen und kollaborativen Formaten rückt die Plattform immer stärker an die Logiken von TikTok, Instagram und Co. heran. Dabei bleibt Streaming der emotionale Kern – wird aber zunehmend zum Mittel der digitalen Selbstinszenierung und sozialen Interaktion.

Im Zusammenspiel mit Entwicklungen bei Airbnb, Google oder OpenAI zeigt sich ein klarer Trend: Plattformen verwandeln sich in soziale Räume. Spotify wählt dabei einen besonders persönlichen Zugang – und könnte damit den Ton für die nächste Plattformgeneration angeben.