Nio EL6: Das China-SUV beweist, wie weit abgeschlagen VW & Co. bei E-Autos sind

Nio fliegt als E-Auto-Hersteller hierzulande eher noch unter dem Radar. Doch schon das Einsteiger-SUV EL6 der chinesischen Marke beweist: Das ist zu Unrecht der Fall. Vor allem 2 großartige Funktionen sorgen dafür, dass Nio locker mithalten kann – eine davon hatte ich vor meinen 2 Wochen mit dem EL6 überhaupt nicht auf dem Schirm.

Mai 3, 2025 - 17:22
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Nio EL6: Das China-SUV beweist, wie weit abgeschlagen VW & Co. bei E-Autos sind

Nio fliegt als E-Auto-Hersteller hierzulande eher noch unter dem Radar. Doch schon das Einsteiger-SUV EL6 der chinesischen Marke beweist: Das ist zu Unrecht der Fall. Vor allem 2 großartige Funktionen sorgen dafür, dass Nio locker mithalten kann – eine davon hatte ich vor meinen 2 Wochen mit dem EL6 überhaupt nicht auf dem Schirm.

Fazit zum Nio EL6

Wer die Premium-Preise bei Nio nicht zu scheuen braucht, kriegt fürs Geld ein ausgereiftes Elektro-SUV. Trotz bisher noch sehr grobmaschigem Netz an Batteriewechsel-Stationen knipst Nio den vermeintlichen Nachteil langer Ladezeiten bei E-Autos einfach aus. Und auch abseits davon erhaltet ihr ein E-Auto, das sich in keiner Weise verstecken braucht.

In keinem anderen Auto, das ich kenne, habt ihr als Käufer so viele Möglichkeiten, euren Nio zu eurem ganz persönlichen Auto zu machen. Für Neuwagengeruch-Fetischisten hat Nio übrigens eine Überraschung parat: Ihr könnt aus gleich drei Düfte wählen, die über die Klimaanlage verteilt werden. Ich hätte nicht damit gerechnet, aber das hat mich wirklich abgeholt.

Nio EL6: Mehr als nur noch ein weiteres Elektro-SUV

Elektro-SUV Nio EL6 linksEL6 von Nio – wie alle Nios immer gut zu erkennen am großen LiDAR-Sensor mittig über der Frontscheibe.

Etwas kleiner, etwas weniger Premiumklassen-Flair und chinesisch statt koreanisch – trotzdem hat mich der EL6 von Nio im ersten Moment sehr an Kias EV9 erinnert, den ich zuvor gefahren bin (zum Test). Ein wuchtiges SUV mit Elektroantrieb, allen möglichen Schikanen und jeder Menge Platz im Innern – abgesehen von der dritten Sitzreihe beim etwas kleineren Nio waren die Parallelen da.

Doch so abgedroschen es klingt: Schon nach der ersten Fahrt war mir klar: Die beiden Modelle nebeneinander zu stellen ist wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Und obwohl der Nio EL6 sich noch gerade so der oberen Mittelklasse zuordnen lässt und der EV9 bei Preis und Ausstattung klar in der Oberklasse fährt, muss sich das China-SUV absolut nicht verstecken.

Das liegt vor allem an 2 Dingen – beide sind aber keine Alleinstellungsmerkmale des EL6, sondern gehören vielmehr zur Marke Nio: die Batteriewechsel-Stationen und Nios Sprachassistent Nomi – vor allem letzterer hat es mir angetan, was mich wirklich überrascht hat.

Denn ich bin eigentlich kein Fan von Sprachassistenten. Nomi arbeitet aber zuverlässig und nimmt euch vor allem eine Menge ab: Radiosender wechseln, Klimaanlage, Sitzheizung oder Massagefunktion bedienen, Fahrmodi einstellen, Navigation starten oder Ladevorgänge vorbereiten – all das könnt mit einfachen Sprachbefehlen erledigen. Das funktioniert meist reibungslos, manchmal kann es sein, dass ihr eine Anweisung wiederholen oder euch erst an Formulierungen gewöhnen müsst, die besser funktionieren als andere.Sprachassistent Nomi in Nio-Elektroautos (alte Version)In der älteren Version kommt Nomi noch als dezentes Kästchen eingelassen ins Armaturenbrett daher. Neuere Modelle haben bereits die ikonische Kugel mit Augen.

Das Beste an Nomi ist meiner Meinung nach, dass es so ausgereift ist, dass ihr für viele Einstellungen auf das Touchdisplay verzichten könnt. Ohne Nomi bräuchte es viel Zeit, sich den Wagen passend zu konfigurieren – und während der Fahrt würdet ihr wie bei VWs bisherigen ID-Modellen einige Knöpfe vermissen.

Dank Sprachassistent ist das aber gar kein Problem – ihr könnt einfach losfahren und euch unterwegs von Nomi in das Auto und seine feineren Details einführen lassen, wann immer euch danach ist. Für mich einige der besten Anweisungen: „Außenspiegel einklappen“, „Massagefunktion aktivieren“ und „Ladedeckel öffnen“ – funktioniert alles einwandfrei. Auch die Spiegel oder das Lenkrad einzustellen, ist am leichtesten über Nomi erledigt. Gebt den Befehl, die Funktion startet und mit den Steuertasten am Lenkrad könnt ihr euch direkt alles so einstellen, wie es passt.Cockpit im Nio EL6 – Ansicht von der RückbankAufgeräumt und mit wenigen haptischen Tasten versehen – dank Sprachassistent Nomi kommt ihr im EL6 trotzdem problemlos auch während der Fahrt zurecht.

Übrigens: Viele der Nomi-Funktionen, die ich besonders gerne genutzt habe, lassen sich auch per Software automatisieren. Nio bietet dafür eine eigene, vorinstallierte App an, mit der ihr nach „Wenn, dann“-Logik selbst zum Programmierer eures Autos werdet. Zwei Wochen reichen aber einfach nicht aus, um in alle Feinheiten des China-Stromers reinzuschnuppern.

Nio zeigt VW und allen anderen, wozu E-Autos in der Lage sind

Nomi konnte mich ordentlich überraschen. Von Nios Power Swap Stations wusste ich hingegen schon vorher, dass mich hier ein echter Vorteil erwartet: Denn Nio-Elektroautos hängen damit auf der Langstrecke die gesamte Konkurrenz ab. Kein Aufladen an einer noch so leistungsstarken DC-Schnellladesäule kann derzeit mit Nios Weg mithalten: Einfach und vollautomatisiert wird die leere Batterie gegen eine volle getauscht und schon kann es weitergehen.

Dass es angepriesen wird, wusste ich. Wie gut das tatsächlich funktioniert, musste ich selbst ausprobieren. Was schon einmal einwandfrei klappt, ist in die Wechselstation überhaupt reinzukommen. Dank Navigationsvorplanung wird euch eine passend geladene Batterie zuvor reserviert. Kaum seid ihr in Sichtweite, öffnet die Station automatisch – und das Einparken übernehmen Nios E-Autos ebenfalls für euch:LinkRückwärts einparken? Kein Problem, das macht euer Nio ganz allein

Die Zeitersparnis beim Batteriewechsel im Gegensatz zum Aufladen bei tatsächlich allen anderen E-Auto-Herstellern am Markt ist fast schon ein Schlag ins Gesicht – und das merkt ihr als Nio-Fahrer auch allen anderen deutlich an, die euch beobachten. Denn die bisherigen Swap Stations sind meistens direkt in der Nähe von größeren Ladeparks.

Während andere E-Auto-Fahrer dort mindestens eine halbe Stunde verbringen, seid ihr in unter 5 Minuten wieder startbereit. Der neidischen Blicke könnt ihr euch also sicher sein. Vom eigentlichen Tauschvorgang kriegt ihr als Fahrer allerdings kaum etwas mit, ihr müsst im Auto sitzen bleiben. Was währenddessen unter euch passiert, haben wir in einem weiteren Video festgehalten:LinkSo läuft der Batterie-Wechsel in Nios Swap Stations ab

In der EU gibt es allerdings einen nicht zu unterschätzenden Stolperstein: Bei Nio wählt ihr selbst, ob ihr ein Auto mit Batterie kauft und beides euch gehört oder ob ihr das Auto ohne Batterie kauft, diese dann aber mietet. Letzteres macht den Kauf deutlich günstiger – aber die Batterie gehört nicht euch. Dafür könnt ihr in der EU aber auch nur bei der Mietoption die Power Swap Stations nutzen, wie Nio auf Nachfrage bestätigt hat.

Der Grund: Nur die physische Batterie, die beim Kauf verbaut ist, gilt hierzulande als euer Eigentum. Ihr würdet sie also abgeben und eine erhalten, die euch nicht gehört, wenn ihr eine Tauschstation nutzt. International ist das kein Problem, erklärt Nio. In vielen Ländern könnt ihr den Besitz an einem digitalen Zwilling eurer Batterie erwerben. Beim Tausch wird der digitale Zwilling an die jeweils neue Batterie gekoppelt. Nio sorgt dabei nach eigenen Angaben dafür, dass ihr nie mit einer schlechteren Batterie fahrt als die, mit der ihr gekommen seid.

Der zweite Nachteil: Bisher gibt es in Deutschland 20 Power Swap Stations – nicht gerade viele. Aber nicht vergessen: Ihren Vorteil spielen die Tauschstationen an der Autobahn aus, wenn ihr lange Strecken abreißt. Im Alltag könnt ihr an allen passenden Ladestationen aufladen, wie mit jedem anderen E-Auto auch.

Diese Specs zum Nio EL6 müsst ihr kennen

Reichweite: 406 bis 529 km nach WLTP-Standard Preis: ab 53.500 Euro, dazu kommen monatliche Kosten für Batteriemiete oder ein fünfstelliger Aufschlag auf den Kaufpreis Maße: 4,85 m lang, 2 m breit, 1,7 m hoch Leistung: 360 kW starker Allradantrieb mit Dualmotor Maximale Geschwindigkeit: 200 km/h Laderaum: bis zu 1.430 l

High-Tech auf Rädern: Was Nios E-Autos alles können, findet ihr vielleicht nie heraus

Die Assistenzprogramme bei Nio arbeiten weitgehend zuverlässig. Ein paar Mal funktionierte während meiner Testfahrten der automatische Spurwechsel allerdings nicht fehlerfrei. Halb rübergezogen wurde ein Hindernis erkannt, das nicht da war, und der Nio zog wieder zurück auf die alte Spur. Es ist natürlich besser so herum, als dass er Hindernisse nicht erkannt hätte. Trotzdem ist da noch etwas Luft nach oben. Grundsätzlich funktionieren die Assistenzsysteme aber zuverlässig, ich habe mich im EL6 nie unsicher gefühlt, wenn ich mit aktivierten Assistenten gefahren bin.

Im Gegensatz zu manch anderen Herstellern sind die Eingriffe von Nios Assistenten – zum Beispiel beim Spurhalten oder durch Tempowarnung – weniger aggressiv. Das sorgt gleich für Vertrauen.

Besonders gut hat mir die Funktion für automatisches Parken gefallen. Kein Alleinstellungsmerkmal und dank 360-Grad-Kamera schafft ihr es auch alleine in jede passende Lücke. Trotzdem ein praktisches Feature, das vielen Fahrern Stress ersparen dürfte. Ihr kommt in eine passende Lücke immer rein, wenn Nio das Steuer übernimmt. Dabei sind die Endpositionen aber unterschiedlich gut, sodass ihr auch nochmal nachjustieren solltet.

Das sind nur einige wenige Beispiele, die kaum zeigen, was Nios E-Autos auf dem Kasten haben. Die Tiefen der Software und was damit bei Nio alles möglich ist, könnt ihr in nur zwei Wochen kaum ausschöpfen:App zur Automatisierung von Fahrzeugfunktionen im Nio EL6Ein kleiner Einblick, wie ihr euch den Nio EL6 personalisieren könnt.

Für mich steht fest: Mit der Software führt Nio die alteingesessenen Autobauer vor. Es heißt schon seit langem, dass gerade chinesische E-Autos zu Smartphones auf Rädern werden. Doch erst mit dem EL6 habe ich wirklich erlebt, was das bedeutet – und es ist absolut kein Minuspunkt, wie es oft aus der Verbrenner-Fanecke zu hören ist.

Vom Sprachassisten Nomi über Feintuning und Personalisierungsfunktionen, die weit über gespeicherte Sitzpositionen für unterschiedliche Fahrer hinausgehen, bis zu den programmierbaren Automatisierungen – Nio zeigt, was es bedeutet, wenn das Auto zum fahrenden Computer wird und ihr ihn steuert.

Diese Abstriche macht ihr bei Nio – noch

Der EL6 ist Nios Einsteiger-SUV und kommt trotzdem zu einem stolzen Preis: 53.500 Euro in der Basis werden fällig – und das ist nur das Auto, ohne Batterie. Die kostet 169 Euro (Standard-Batterie mit 75 kWh Kapazität, 406 km WLTP-Reichweite) oder sogar 289 Euro (Long Range, 100 kWh Kapazität, 529 km) pro Monat, wenn ihr euch für die Mietoption entscheidet.

Wollt ihr die Batterie kaufen – und damit auf die Wechselmöglichkeit verzichten –, werden nochmal 12.000 oder sogar 21.000 Euro mehr fällig. Für maximale Reichweite und Batteriekauf kommen also schon 74.500 Euro zusammen – reichlich happig für den Einstieg ins Nio-Sortiment.

Nio selbst sieht sich als Konkurrent für Kunden, die sich sonst bei BMW oder Mercedes wohl fühlen – in vielerlei Hinsicht zurecht. Gerade den höherpreisigen Modellen von Nio traue ich da viel zu. Beim EL6 allerdings merkt man hier und da, dass gespart wird. So knarzte es etwa beim Bremsen von der Hinterbank aus – woher genau das Geräusch kam, konnte ich nicht feststellen.

Den linken Fuß legt ihr als Fahrer auf einer Kunststofffläche ab, bei der in meinem Fall klar zu spüren war, dass die Plastikverkleidung nur aufliegt, nicht verklebt ist und schon gar nicht metallen. Ehrlich gesagt: Für mich ist das absolut kein Hinderungsgrund, Nio den Daumen hoch zu geben. Aber Mercedes- und BMW-Kunden, die Nio ansprechen will, sind für die Preise anderes gewohnt.