Wann Rufbereitschaft vergütet werden muss – und wie

Für Rufbereitschaften gelten laut Arbeitsrecht andere Regeln als für normale Arbeitszeiten. Was du über die Vergütung einer Rufbereitschaft wissen solltest – und was im Arbeitsvertrag stehen muss. The post Wann Rufbereitschaft vergütet werden muss – und wie appeared first on impulse.

Apr 17, 2025 - 11:31
 0
Wann Rufbereitschaft vergütet werden muss – und wie
Ob beim Schlüsseldienst, dem IT-Dienstleister oder einem produzierenden Unternehmen mit Schichtbetrieb: In vielen Branchen ist es notwendig, dass sich Mitarbeitende auch außerhalb ihrer normalen Arbeitszeit für einen Einsatz bereithalten. Was Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber dabei beachten müssen. Rufbereitschaft und Vergütung: Was gilt als Arbeitszeit? Früher mussten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bei einer Rufbereitschaft nur dann eine Vergütung zahlen, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich einen Einsatz hatte. Das ist heute anders: Mit einem Urteil entschied der Europäische Gerichtshof am 09. März 2021 (C-580/19), dass die Rufbereitschaft immer dann als Arbeitszeit gilt, wenn der Arbeitnehmer seine freie Zeit nicht selbst bestimmen kann. Ein Mitarbeiter kann beispielsweise keine Freizeitaktivitäten wahrnehmen, wenn er an seinem Arbeitsplatz, der nicht seine Wohnung ist, bleiben und dort verfügbar sein muss. Gilt die Rufbereitschaft als Arbeitszeit, müssen Unternehmen dafür eine Vergütung zahlen. Aber auch eine Rufbereitschaft, die nicht an einem vorgegebenen Ort abgeleistet wird – der Mitarbeitende etwa zu Hause sein darf –, kann als Arbeitszeit gelten. Beispielsweise, wenn der Arbeitnehmer innerhalb kurzer Zeit seine Arbeit aufnehmen können oder eine spezielle Ausrüstung mit sich tragen muss – und sich daher nicht uneingeschränkt seinen persönlichen Interessen widmen kann. Im konkreten Fall ging es um einen Feuerwehrmann aus Offenbach, der auf Entschädigung für seine zu Hause geleisteten Bereitschaftsdienste klagte. Er muss bei einem Notfall innerhalb von zwanzig Minuten am Einsatzort sein. Das würde die Möglichkeiten seine Zeit “frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen”, urteilten die Richter. Etwas anders sieht es aus, wenn ein Mitarbeiter in Rufbereitschaft diese Zeit freier gestalten kann, etwa, weil er zu Hause bleiben kann. Muss sich beispielsweise ein System-Administrator am Samstagabend wegen eines Notfalls von zu Hause aus für eine Stunde ins System einloggen, um ein Problem zu lösen, gilt diese Stunde als Arbeitszeit. Die während der Rufbereitschaft geleisteten Arbeitsstunden muss der Arbeitnehmer erfassen und dem Arbeitgeber mitteilen. Hat er seine wöchentliche Arbeitszeit dann schon erbracht, wird der Arbeitseinsatz als Überstunden bewertet. Mehr zum Thema Arbeitszeitgesetz Was gehört zur bezahlten Arbeitszeit? Was ist der Unterschied zwischen Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst? Bereitschaftsdienst Bereitschaftsdienste sind etwa in Krankenhäusern oder Pflegeheimen üblich. Ein Beispiel: Eine Ärztin im Bereitschaftsdienst bleibt über Nacht im Krankenhaus, sitzt in einem Aufenthaltsraum oder schläft. Wird sie gebraucht, schlägt ihr Piepser Alarm – und sie nimmt ihre Tätigkeit auf. Bereitschaftsdienst gilt seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2000 (EuGH, 03.10.2000 – C-303/98) als Arbeitszeit und muss vergütet werden. Beschäftigte können sich jedoch auch an einem Ort außerhalb des Unternehmens aufhalten. Dieser muss jedoch nahe genug am Einsatzort liegen, um innerhalb einer vorgegebenen Zeitspanne die Tätigkeit aufnehmen zu können. Rufbereitschaft Ein Mitarbeiter in Rufbereitschaft darf seinen Aufenthaltsort normalerweise selbst bestimmen. Wer in Rufbereitschaft ist, kann also zu Hause bleiben und seinen Freizeitbeschäftigungen nachgehen. Aber: Er muss für seinen Arbeitgeber erreichbar sein. Und wird er gebraucht, muss er innerhalb einer gewissen Zeitspanne die Arbeit aufnehmen. „Wie genau der Mitarbeiter seine Arbeitsleistung dann verrichtet, ist egal, solange es der Tätigkeit angemessen ist“, erklärt Arbeitsrechtlerin Kathrin Bürger. „Ein Systemadministrator kann sich vielleicht von zu Hause aus in das System einloggen, um ein Problem zu beheben. Der Haustechniker in Rufbereitschaft muss bei einem Notfall womöglich in den Betrieb kommen.“ Arbeitsbereitschaft Im Zusammenhang mit Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft taucht häufig auch der Begriff Arbeitsbereitschaft auf – und sorgt für Verwirrung. Das Bundesarbeitsgericht hat Arbeitsbereitschaft im Jahr 1981 als „Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung“ während der normalen Arbeitszeit definiert. Das heißt: Der Arbeitnehmer hält sich dabei an seinem Arbeitsplatz auf und wartet darauf, dass sein Einsatz gefragt ist. Etwa die Verkäuferin, die im Laden steht und darauf wartet, dass der nächste Kunde kommt. Oder der Call-Center-Mitarbeiter, der nur Anrufe entgegennimmt und zwischen zwei Telefonaten einen Leerlauf hat. „Arbeitsbereitschaft ist ganz klassische Arbeitszeit und muss normal vergütet werden“, sagt die Anwältin. Rufbereitschaft und Vergütung: Wie hoch muss sie sein? Haben Mitarbeitende während der Rufbereitschaft einen Einsatz, gilt das als Arbeitszeit. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen dafür den normalen Stundenlohn zahlen. Gegebenenfalls kommt noch ein Nachtzuschlag, ein Sonntagszuschlag oder ein Feiertagszuschlag dazu. Diese Zuschläge sind nach dem Einkommenssteuergesetz (§ 3b EStG) steuerfrei. Wie hoch die Vergütung im Einzelfall genau ist, kann beispielsweise in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden (falls es einen Betriebsrat gibt). Hat der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin keinen Einsatz, hängt die Vergütung der Rufbereitschaft davon ab, wie schnell er oder sie einsatzfähig sein muss. „Muss ein Arbeitnehmer dauerhaft innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne unmittelbar einsatzbereit sein, kann das ein Indiz für einen Bereitschaftsdienst anstatt einer Rufbereitschaft sein“, sagt Kathrin Bürger, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Seitz in München. Eine Rolle spiele auch, wie oft jemand zum Dienst gerufen wird, wie lange die Einsätze dauern und ob der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin tatsächlich die Möglichkeit hat, Freizeitaktivitäten nachzukommen. Bürger: „Es wird sich aber wohl um einen Bereitschaftsdienst handeln, wenn der Arbeitnehmer erheblich in seiner freien Zeitgestaltung eingeschränkt ist.“ Bereitschaftsdienste werden oft jedoch geringer vergütet als die normale Arbeitszeit, da sie weniger belastend sind. Schließlich kann es auch sein, dass der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin während der gesamten Zeit nicht zum Einsatz gerufen wird und beispielsweise schlafen oder sich am Computer um private Angelegenheiten kümmern kann. Unternehmen müssen für Bereitschaftsdienste wenigstens den Mindestlohn zahlen – es sei denn, der Tarifvertrag enthält eine andere Vergütungsregel. „Sind dort nur 7 Euro die Stunde festgelegt, ist das Mindestlohngesetz nicht anwendbar “, sagt Bürger. Kann der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin sich während der Rufbereitschaft etwas Zeit lassen, um am Arbeitsplatz einzutreffen – beispielsweise 45 Minuten – dann gilt die Rufbereitschaft als Ruhezeit. Arbeitgeber müssen dafür kein Gehalt zahlen. Allerdings zahlen viele Arbeitgeber eine Entschädigungspauschale: „Wer in Rufbereitschaft ist, muss immer erreichbar sein“, sagt Kathrin Bürger. „Man kann also nicht die ganze Nacht durchfeiern oder weiter entfernte Ausflüge unternehmen. Die Pauschale soll für diese Einschränkungen entschädigen.“ Wie schnell muss ein Mitarbeiter in Rufbereitschaft einsatzfähig sein? Es gibt keine gesetzlichen Vorgaben, wie schnell Mitarbeitende in Rufbereitschaft einsatzfähig sein müssen, weshalb sich immer wieder Gerichte damit beschäftigen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) sieht im Urteil vom 09. März 2021 eine Zeitspanne von 20 Minuten als zu gering an. Dies allerdings auch unter der Besonderheit, dass der Arbeitnehmer als Feuerwehrmann seine Ausrüstung bei Dienstantritt bei sich zu tragen hatte und mit dem Feuerwehrfahrzeug die Dienstelle erreichen musste. Eine klare Zeitspanne hat der EuGH in diesem Urteil nicht bestimmt. Vielmehr muss im Einzelfall der Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, seinen sozialen und persönlichen Interessen nachgehen zu können. „Die Grenze zwischen Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst ist schwammig, aber es gibt Richtwerte“, sagt Bürger. „Wenn ein Arbeitnehmer in 10 bis 20 Minuten an seinem Arbeitsplatz sein muss, spricht es für einen Bereitschaftsdienst.“ Bei einer Rufbereitschaft sei es laut einem BAG-Urteil aus dem Januar 2004 (Aktenzeichen: 6 AZR 643/02) jedoch hinnehmbar, wenn der Arbeitnehmer innerhalb von 45 Minuten am Arbeitsplatz erscheinen muss. Welche Ruhezeit müssen Beschäftigte nach einem Einsatz während der Rufbereitschaft haben? Das Arbeitszeitgesetz sieht eine Mindestruhezeit von elf Stunden zwischen zwei Arbeitseinsätzen vor (§ 5 ArbZG). „Das kann bei der Rufbereitschaft zu Problemen führen“, sagt Bürger. Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter macht um 18 Uhr Feierabend und ist bis zum nächsten Morgen um 6 Uhr zur Rufbereitschaft eingeteilt. Nachts um 3 klingelt sein Telefon und er muss von zu Hause aus eine Stunde arbeiten. Seine Ruhezeit wurde also unterbrochen. Das heißt: Ab 4 Uhr gelten die elf Stunden Ruhezeit erneut, er dürfte am nächsten Tag erst um 15 Uhr wieder arbeiten. „Das kann Dienstpläne durcheinanderbringen und dazu führen, dass Mitarbeiter nicht auf ihre wöchentliche Arbeitszeit kommen“, umreißt die Expertin für Arbeitsrecht das Problem. „Deshalb kann es problematisch sein, Ruhezeit und Arbeitsanfall in der Praxis in Einklang zu bringen.“ Ungeklärt ist, welche Zeitspanne als Unterbrechung der Ruhezeit zählt – also ob auch schon ein Einsatz von wenigen Minuten ausreicht, um die vorgeschriebenen elf Stunden Ruhezeit erneut beginnen zu lassen. „Dazu gibt es keine gesetzlichen Vorgaben“, sagt Bürger. „Als Richtwert gilt alles ab 15 Minuten, aber das ist keine gerichtliche Entscheidung.“ Unstrittig sei es, wenn sich der Arbeitnehmer auf den Weg zum Arbeitsort machen muss. Dies gilt als eine klare Unterbrechung der Ruhezeit – selbst, wenn er vor Ort nur zehn Minuten gebraucht wird. Muss die Rufbereitschaft im Arbeitsvertrag stehen? „Normalerweise wird die Rufbereitschaft im Arbeitsvertrag geregelt“, erklärt Bürger. „Dort verwendet man eine Formulierung wie: ‚Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, Rufbereitschaft zu erbringen, sofern erforderlich‘.“ Wie man sie im Einzelnen ausgestaltet, fällt unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Gibt es im Unternehmen einen Betriebsrat, müssen Chefs diesen dabei einbeziehen. Worauf müssen Arbeitgeber achten, wenn sie Mitarbeiter zur Rufbereitschaft einteilen? Entscheidend ist laut Bürger, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ein gerechtes, generell geltendes System für die Einteilung finden. „Angenommen, Sie haben fünf Mitarbeiter, die im Notfall das IT-System wieder zum Laufen bekommen. Aber Sie teilen immer nur einen für die Rufbereitschaft am Wochenende ein, weil Sie den auf dem Kieker haben – das geht natürlich nicht.“ Üblich sei ein rotierendes System. Alle Mitarbeitenden, die für die Rufbereitschaft in Frage kommen, sind dann im Wechsel dran. Gibt es einen Betriebsrat im Unternehmen, hat dieser ein Mitbestimmungsrecht bei der Anordnung und Aufstellung von Rufbereitschaftsplänen. Wie oft darf ein Mitarbeiter zur Rufbereitschaft eingeteilt werden? Dazu gibt es keine gesetzlichen Vorgaben. Bei der Entscheidung, wer wie oft drankommt, müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber laut Bürger billiges Ermessen walten lassen. Das bedeutet: Haben alle Beschäftigten die gleichen Voraussetzungen und wohnen etwa gleich weit vom Arbeitsort entfernt, müssen alle gleich oft eingeteilt werden. „Hat einer der Mitarbeiter aber einen sehr weiten Arbeitsweg, pflegt zu Hause auch noch seine kranke Mutter und hat Drillinge, dann darf man ihn seltener für die Rufbereitschaft einplanen als die Kollegen, die Single sind und um die Ecke wohnen.“ Das Prinzip des billigen Ermessens gilt laut Bürger aber nur, falls es keine Vereinbarungen mit dem Betriebsrat oder einen Tarifvertrag gibt, die ein anderes System für die Einteilung vorsehen. Dürfen Arbeitnehmer die Rufbereitschaft ablehnen? Beschäftigte müssen Rufbereitschaft leisten – sofern es eine Rechtsgrundlage dafür gibt, dass die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber die Rufbereitschaft anweisen darf. Steht eine entsprechende Formulierung im Arbeitsvertrag oder gibt es eine Betriebsvereinbarung, ist der Arbeitnehmer in der Pflicht und darf nicht ablehnen. „Das wäre eine Arbeitsverweigerung, die der Arbeitgeber mit einer Abmahnung ahnden könnte“, sagt die Fachanwältin. Bürgers Erfahrung zufolge gibt es aber selten Konflikte bei der Rufbereitschaft. „Meist ist sie gar nicht so einschneidend in die Freizeit des Arbeitnehmers. Daher verläuft das in der Regel unproblematisch.“

The post Wann Rufbereitschaft vergütet werden muss – und wie appeared first on impulse.