Misstrauen auf X: Warum viele an Shadowbans glauben – und was Musk damit zu tun hat
X liefert neue Erklärungen für sinkende Reichweiten und weist auf technische Ursachen hin. Doch das von Elon Musk über Jahre hinweg geförderte Misstrauen gegenüber der Plattform und ihrem Algorithmus lässt sich damit nicht einfach ausräumen.

Ob es an einem algorithmischen Trick liegt oder doch am eigenen Tippfehler – auf X fühlen sich viele Nutzer:innen bei sinkender Reichweite schnell unsichtbar gemacht. Der Eindruck, einem Shadowban zum Opfer zu fallen, hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Narrativ entwickelt. Nun versucht X, etwas Licht ins Dunkel zu bringen: Mit neuen Hinweisen möchte das Unternehmen typische Missverständnisse rund um Hashtags, @-Erwähnungen und Sichtbarkeitsgrenzen aufklären. Doch reicht ein FAQ, um Misstrauen auszuräumen?
Warum Posts auf X plötzlich weniger sichtbar sind – laut der Plattform selbst
Laut einer aktuellen Veröffentlichung von X könnten Reichweitenprobleme häufig auf einfache technische Fehler zurückzuführen sein. Beispielsweise kann ein falsch gesetztes Symbol nach Nutzer:innennamen oder innerhalb eines Hashtags dazu führen, dass Posts nicht korrekt zugeordnet oder auffindbar sind. X weist darauf hin, dass folgende Fehler die Sichtbarkeit einschränken können:
- Symbole nach Benutzernamen (etwa „@XSupport.123“) senden den Post nicht an den richtigen Account.
- Zeichen vor dem @-Symbol (etwa „.?@XSupport“) führen dazu, dass die Nachricht nicht als Antwort, sondern als regulärer Post gewertet wird.
- Hashtags mit Satzzeichen oder Symbolen werden abgeschnitten; #Awesome! wird etwa nur als #Awesome erkannt.
- Hashtags nur aus Zahlen (etwa #1 oder #123) sind nicht suchbar.
Auch technische Limitierungen können Posts unsichtbar wirken lassen: Wenn ein Beitrag sehr viele Antworten sammelt, zeigt X diese nicht alle an. Die ursprünglichen Autor:innen können aber oftmals über ihre Benachrichtigungen auf die Antworten zugreifen.
Schatten der Vergangenheit: Warum Misstrauen bleibt
Obwohl X betont, dass viele Probleme eher technischer als politischer Natur seien, bleibt das Thema Shadowban ein heikler Punkt – nicht zuletzt durch die Historie der Plattform. X-Eigner Elon Musk selbst hatte in der Vergangenheit wiederholt den Vorwurf erhoben, Twitter – die frühere Version von X vor Musks Übernahme – habe gezielt Beiträge bestimmter politischer Richtungen eingeschränkt. Nach aktuellem Stand gibt es keine Belege für eine systematische Zensur. Tatsächlich beschränkte Twitter während der Coronapandemie bestimmte Inhalte mit Fehlinformationen, wobei dies in enger Abstimmung mit offiziellen Stellen erfolgte. Beispiele für Content, der ab entfernt wurde, sind etwa die Beschreibung nicht bestätigter Methoden zur Heilung der Infizierten oder das Leugnen von offiziellen Maßnahmen zur Bekämpfung der Virusausbreitung wie zum Beispiel Social Distancing, etwa: „Social Distancing ist nicht effektiv“. Zudem erhalten Inhalte von zahlenden Abonnent:innen auf X nachweislich mehr Sichtbarkeit als Beiträge von Nutzer:innen ohne kostenpflichtiges Abonnement – ein Umstand, der die Diskussion um faire Reichweitenverteilung zusätzlich anheizt.
Die anhaltende Skepsis in der Community zeigt: Ein einmal verloren gegangenes Vertrauen lässt sich nicht durch Hinweise auf Tippfehler wiederherstellen. Mehr dazu, wie Plattformen wie Instagram mit Shadowban-Mythen umgehen und welche Tipps Usern helfen können, bietet unser Artikel.
Kein Shadowban, aber weniger Reichweite?
Instagram-Chef Mosseri klärt auf

Was Nutzer:innen selbst tun können
Während sich manche Einschränkungen technisch erklären lassen, bleibt bei vielen Nutzer:innen der subjektive Eindruck bestehen, ihre Beiträge würden absichtlich versteckt. X rät daher dazu, vor öffentlichen Anschuldigungen zunächst grundlegende Überprüfungen vorzunehmen, etwa die korrekte Nutzung von Hashtags und Erwähnungen oder die Kontrolle der eigenen Profileinstellungen hinsichtlich der Sichtbarkeit. Dennoch brodelt die Gerüchteküche weiter. Musk selbst schürte jüngst mit seinen Aussagen über angebliche Manipulationen die Unsicherheit, statt sie zu mindern.

Hinzu kommen Spekulationen, dass das Community-Notes-System von X von koordinierten Gruppen beeinflusst werde – ein Modell, das nun auch von Meta bei Threads, Instagram und Facebook adaptiert wird. Passend dazu hat Threads kürzlich eine neue Funktion eingeführt, mit der Nutzer:innen Creator von X, denen sie folgen, direkt auf Threads übernehmen können, jedoch mit einer Einschränkung. Weitere Details dazu finden sich in unserem Artikel.
Von X zu Threads:
Neues Feature ermöglicht Usern Creator-Import
Transparenz ist gut – Vertrauen ist besser
X versucht mit pragmatischen Tipps, die Schatten der Reichweitendebatte zu vertreiben. Doch Misstrauen, das über Jahre gewachsen ist, lässt sich nicht mit einer Checkliste aus der Welt schaffen. Insbesondere nicht, wenn gleichzeitig Vorwürfe über unzureichende Maßnahmen gegen Hassrede und Desinformation bestehen. Die zunehmende Kritik an der Plattform, die auch durch die Politisierung von Moderationsentscheidungen unter Elon Musk und eine offenere Toleranz gegenüber kontroversen Inhalten verstärkt wurde, zeigt: Plattformen brauchen mehr als Hinweise zu Hashtag-Fehlern.
Echte Transparenz, überprüfbare Moderationsprozesse und ein wirksames Community Management wären ein notwendige Schritte, um Glaubwürdigkeit langfristig zurückzugewinnen. Solange diese Grundlagen fehlen und auch Systeme wie Community Notes unter Manipulationsverdacht stehen, bleibt für Nutzer:innen nur die Empfehlung: Nicht jede eingeschränkte Sichtbarkeit ist ein gezielter Eingriff. Oft liegen die Ursachen in technischen Fehlern oder falscher Nutzung durch die Nutzer:innen selbst. Das grundlegende Vertrauensproblem aber bleibt ungelöst.