Die Verpflichtung zur systematischen Zeiterfassung

Die Arbeitszeiterfassung ist in Deutschland spätestens seit 2022 ein zentrales Thema für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Doch was genau gilt aktuell, und wie sieht die gesetzliche Entwicklung aus? Was beinhaltet die Verpflichtung zur systematischen Zeiterfassung und wie wird diese in Deutschland umgesetzt? All das und noch mehr können Sie in diesem Beitrag lesen. Was versteht man […]

Mai 27, 2025 - 17:00
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Die Verpflichtung zur systematischen Zeiterfassung

Die Arbeitszeiterfassung ist in Deutschland spätestens seit 2022 ein zentrales Thema für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Doch was genau gilt aktuell, und wie sieht die gesetzliche Entwicklung aus? Was beinhaltet die Verpflichtung zur systematischen Zeiterfassung und wie wird diese in Deutschland umgesetzt? All das und noch mehr können Sie in diesem Beitrag lesen.

Was versteht man unter Arbeitszeiterfassung?

Arbeitszeiterfassung bedeutet, die tägliche Arbeitszeit von Mitarbeitenden systematisch festzuhalten. Dazu gehören der Arbeitsbeginn, das Arbeitsende sowie Pausen und Überstunden. Ziel ist es, die tatsächlich geleisteten Stunden transparent zu dokumentieren.

Wie Sie die Arbeitszeiten erfassen, ist unterschiedlich möglich: klassisch mit Stundenzetteln, über eine Stechuhr oder per App. Viele Unternehmen setzen mittlerweile auf digitale Lösungen, bei denen die Arbeitszeit automatisch und (nahezu) fehlerfrei dokumentiert wird.

EuGH-Urteil als Wendepunkt

Als Arbeitgeber stellt sich für Sie die Frage: Bin ich verpflichtet, die Arbeitszeiten meiner Mitarbeitenden zu erfassen? Die Antwort ist eindeutig: Ja!

In der Vergangenheit hatten wir bereits über ein Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) berichtet, in welchem über eine mögliche Verpflichtung zur systematischen Zeiterfassung geurteilt wurde. Konkret handelt es sich um ein Urteil aus dem Jahre 2019, welches unter dem Aktenzeichen AZ: C-55/18 läuft. Dem Urteil zugrunde liegt eine Klage einer spanischen Gewerkschaft.

Die spanische Gewerkschaft CCOO klagte vor dem Nationalen Gerichtshof in Spanien, die Deutsche Bank dazu zu verpflichten, ein System zur täglichen Arbeitszeiterfassung einzuführen. Sie argumentierte, dass nur so die Einhaltung der Arbeitszeiten zuverlässig kontrolliert werden könne und diese Pflicht sich sowohl aus nationalem Recht als auch aus der EU-Grundrechtecharta und der Arbeitszeitrichtlinie ergebe. Die Deutsche Bank entgegnete, dass das spanische Recht lediglich die Erfassung und Meldung von Überstunden, nicht aber eine umfassende Arbeitszeiterfassung vorschreibe.

Der EuGH bestätigte die Sicht der Gewerkschaft und betonte das Grundrecht der Arbeitnehmer auf Höchstarbeitszeitbegrenzung sowie tägliche und wöchentliche Ruhezeiten, wie in der EU-Grundrechtecharta und der Arbeitszeitrichtlinie festgelegt. Deshalb müssen Mitgliedstaaten Arbeitgeber verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit einzurichten.

Verpflichtung besteht – Linie bestätigt

Auch ein paar Jahre später, im Jahre 2023, hat der EuGH dieses Thema erneut aufgegriffen und seine Linie klar bestätigt. Arbeitgeber sind nach wie vor verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten systematisch und zuverlässig zu dokumentieren.

Diese Vorgabe gilt für nahezu alle Branchen und sowohl für private als auch öffentliche Arbeitgeber. Damit wird der Schutz der Arbeitnehmerrechte, insbesondere in Bezug auf Höchstarbeitszeiten und Ruhepausen, weiter gestärkt.

Deutschland und die systematische Zeiterfassung

Nach dem EuGH-Urteil, welches die verpflichtende systematische Arbeitszeiterfassung für Arbeitgeber in allen EU-Mitgliedstaaten vorsieht, blieb der deutsche Gesetzgeber zunächst untätig und setzte das Urteil nicht direkt in nationales Recht um.

Die Pflicht zur vollständigen Arbeitszeiterfassung wurde jedoch durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) im September 2022 bestätigt: Das BAG leitete aus dem Arbeitsschutzgesetz ab, dass Arbeitgeber bereits jetzt ein System zur Erfassung der Arbeitszeiten einführen müssen, um den Vorgaben des EuGH zu entsprechen. Arbeitgeber sind verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit systematisch zu erfassen – und zwar für alle Arbeitnehmer, unabhängig von Branche oder Betriebsgröße.

Gesetzliche Grundlage und aktuelle Pflichten

In Deutschland sind die hierfür wesentlichen Normen folgende:

  • § 16 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz (ArbZG): Bereits bisher mussten Überstunden dokumentiert werden. Das BAG-Urteil weitet diese Pflicht auf die gesamte Arbeitszeit aus.
  • § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG): Die Pflicht zur Zeiterfassung ergibt sich aus einer EU-rechtskonformen Auslegung dieses Paragrafen. Arbeitgeber müssen ein geeignetes System zur Arbeitszeiterfassung bereitstellen und dessen Nutzung sicherstellen

Systematische elektronische Zeiterfassung: Was kommt?

Eine Gesetzesänderung zur Konkretisierung der Zeiterfassungspflicht befindet sich derzeit im parlamentarischen Verfahren. Der aktuelle Entwurf sieht insbesondere zwei Punkte vor:

  • Grundsätzlich elektronische Zeiterfassung: Arbeitszeiten sollen künftig digital, etwa per Software, App oder Terminal, erfasst werden.
  • Ausnahme für Kleinstbetriebe: Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitenden dürfen weiterhin auch manuell (z. B. mit Excel oder Papier) dokumentieren

Die Umsetzung der Gesetzesänderung wird sich voraussichtlich verzögern, da die Neuwahlen des Bundestags im Februar 2025 zu einer Verschiebung geführt haben. Solange das Gesetz noch nicht verabschiedet ist, besteht bei der Wahl des Systems noch Spielraum.

Es bleibt abzuwarten, ob und wenn ja, wann die Gesetzesänderung in Kraft tritt. Sicher steht jedoch fest, dass seitens der Unternehmen gehandelt werden muss, sofern es noch keine systematische Zeiterfassung im Unternehmen gibt. Wichtig dabei zu wissen ist, dass eine Vertrauensarbeitszeit dennoch weiterhin möglich ist. Es gilt jedoch: Auch bei Vertrauenszeiten müssen Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeiten erfasst werden.

Datenschutz mitdenken

Es gilt zudem: Sollten Sie ein digitales System im Unternehmen einsetzen, so denken Sie ebenfalls den Datenschutz mit! Die Einführung digitaler Zeiterfassungssysteme erfordert zwingend eine sorgfältige datenschutzrechtliche Prüfung, da hierbei personenbezogene Daten der Beschäftigten verarbeitet werden und somit die Vorgaben der DSGVO greifen. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass die Erhebung, Speicherung und Verarbeitung der Arbeitszeitdaten ausschließlich für klar definierte und legitime Zwecke erfolgt, wie etwa zur Lohnabrechnung oder zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten.

Zu den zentralen Anforderungen zählen insbesondere die Zweckbindung, Datenminimierung, Transparenz, Speicherbegrenzung sowie die Gewährleistung der Datensicherheit durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen. Darüber hinaus ist eine DSFA nach Artikel 35 DSGVO durchzuführen, um die Risiken für die Rechte und Freiheiten der Beschäftigten zu bewerten und entsprechende Schutzmaßnahmen zu dokumentieren. Mitarbeitende müssen über die Verarbeitung ihrer Daten und ihre Datenschutzrechte informiert werden, und der Zugriff auf die Daten ist strikt nach dem Need-to-know-Prinzip zu regeln. Nur so kann ein digitales Zeiterfassungssystem rechtskonform und im Einklang mit den Anforderungen des Datenschutzes betrieben werden.


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