Absagen sind für Bewerberinnen und Bewerber frustrierend und für Unternehmen ein rechtliches Risiko. Wer zu nüchtern formuliert, wirkt kalt. Wer zu viel schreibt, macht sich angreifbar. Arbeitsrechtler Alexander Birkhahn erklärt, was in einer Absage stehen darf und was nicht.
impulse: Herr Birkhahn, wie sieht denn ein perfektes Absageschreiben aus?
Alexander Birkhahn: Idealerweise schreibt man nur rein, dass man die Bewerbung nicht berücksichtigen konnte, man sich bedankt und die Daten der Person löscht. Die darf man nach der Rechtsprechung drei Monate lang aufbewahren.
Das klingt sehr nüchtern. Ist es für Bewerberinnen und Bewerber nicht unbefriedigend, wenn sie keinen Grund erfahren, warum es nicht geklappt hat?
Ja, das ist nicht befriedigend, aber die rechtlich sauberste Lösung. Was noch geht: Personaler können auf die bessere Qualifikation der anderen Bewerberinnen und Bewerber verweisen. Die Frage ist, ob das für die Person irgendetwas besser macht.
Viele Personalabteilungen formulieren die Absagen positiv. Qualifikationen der bewerbenden Person werden gelobt, nur Nuancen hätten am Ende den entscheidenden Unterschied gemacht, heißt es dann. Großes Bedauern. Halten Sie das für sinnvoll?
Da muss man vorsichtig sein. Der Bewerber darf nicht den Eindruck bekommen, dass er eigentlich der fachlich beste Kandidat gewesen wäre. Denn dann könnte er auf die Idee kommen, dass es andere Gründe für die Absage gibt. Das Geschlecht zum Beispiel. Dann wäre man im Bereich der Diskriminierung, was rechtlich angreifbar ist. Was rechtlich zulässig ist, sind Sätzchen wie: Verstehen Sie das nicht als Missachtung Ihrer Qualifikation. Ich halte davon trotzdem nichts, denn sie machen die Botschaft ja nicht besser. Wenn man schon ein paar Absagen bekommen hat, kann man solche Floskeln nicht mehr hören.
Darf ich einer Kandidatin oder einem Kandidaten am Telefon Auskunft geben?
Nein, das ist sehr problematisch, davon würde ich abraten. Bewerberinnen und Bewerber fangen an zu diskutieren und am Ende rutscht einem doch eine Information raus, die einen in Schwierigkeiten bringen kann.
Was ist denn, wenn jemand wirklich gut ist, einen vollgepackten Lebenslauf mitbringt. Kann eine top-qualifizierte Person gegen die Absage klagen?
Nein, denn das Stellenprofil ist die Entscheidung des Unternehmens. Wenn die Personalerin sagt, dass die Bewerberin oder der Bewerber die fachlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, dann kann auch ein Gericht nichts mehr machen. Auch subjektive Kriterien sind nicht angreifbar. Wenn ein Unternehmen sich für Bewerber A entscheidet, weil er sympathisch ist und deshalb super ins Team passt, dann ist das in Ordnung. Auch wenn Bewerber B die gleichen fachlichen Voraussetzungen gehabt hätte. Dass ein anderer Bewerber sympathischer war, schreibe ich aber natürlich nicht in die Absage.
Sondern?
Wie gesagt, die rechtliche sauberste Lösung lautet: Wir konnten Ihre Bewerbung leider nicht berücksichtigen.
Müssen Personaler unehrlich sein?
Sagen wir: sie müssen verschwiegen sein.
Wie meinen Sie das?
Nach meiner Erfahrung ist es nach wie vor so, dass häufig wegen des Geschlechts diskriminiert wird. Personaler überlegen sich zweimal, ob sie eine Frau im gebärfähigen Alter einstellen. Das würden sie natürlich nie sagen, müssen es im Absageschreiben berücksichtigen. Der Satz Wir haben uns für einen anderen Bewerber entschieden, geht nicht, weil eine Bewerberin das als Diskriminierung des weiblichen Geschlechts betrachten kann. Die Rechtsprechung ist in den vergangenen Jahren nochmal strenger geworden.
Aus gutem Grund – wenn es so häufig zu Diskriminierung kommt.
Das stimmt, aber es nimmt teilweise auch absurde Züge an. Neulich hatte ich einen Fall, da hat ein Unternehmen auf Indeed eine Ausschreibung geschaltet. Die Personalabteilung hat an einer Stelle versehentlich bei dem Wort Bewerberin statt Bewerber/in geschrieben. Jemand hat sich beworben und wurde abgelehnt. Dann hat die Person dagegen geklagt und gesagt: Ihr wollt nur Frauen. Das war problematisch. Das Unternehmen musste dann belegen, dass es sich nur um eine fehlerhafte Formulierung handelte, und es nicht diskriminierend gemeint war. Die Bewerbung an sich war gar nicht ernstgemeint, dem Kläger ging es nur um Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), ein sogenannter AGG-Hopper. Wir haben den Fall letztlich gewonnen, aber das Unternehmen war zwischenzeitlich ganz schön in der Bredouille.
Was droht denn einem Unternehmen, wenn es wegen Diskriminierung verklagt wird?
Schadensersatz in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern. Wie gesagt: Gerichte verhängen solche Strafen immer öfter.
Um welche Arten der Diskriminierung geht es dabei?
Das Geschlecht hatten wir bereits, und dann jede Art von Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft.
Haben Sie ein Beispiel?
Sagen wir, ein Bewerber stammt aus Afrika, spricht mäßig deutsch und bewirbt sich auf eine Stelle, bei der gute Sprachkenntnisse vorausgesetzt werden. Er bekommt eine Absage mit Verweis auf die Sprachdefizite und klagt dagegen, weil er sich wegen seiner Herkunft diskriminiert fühlt.
Zurecht?
Es kommt darauf an, um welchen Job es geht. Im Telefonservice können fehlende Deutschkenntnisse ein legitimer Ablehnungsgrund sein, da darf das Unternehmen voraussetzen, dass der Mitarbeiter die Kundschaft versteht. Anders sieht es bei Fabrikarbeitern aus, da kann ich so nicht argumentieren. Dann kann eine Klage erfolgreich sein.
Was ist mit dem Alter?
Auf Sätze wie Wir sind ein junges dynamisches Team verzichten Personaler ja mittlerweile, um ältere Menschen nicht zu diskriminieren. Weil die Gesellschaft älter wird und es tendenziell mehr ältere Beschäftigte auf dem Arbeitsmarkt gibt, könnte sich die Situation aber bald umkehren. Jüngere Bewerberinnen und Bewerber könnten sich benachteiligt fühlen, wenn Unternehmen nach erfahrenen Mitarbeitern suchen. Da müssen Personalabteilungen aufpassen.
Der Experte
Dr. Alexander Birkhahn ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Geschäftsführender Gesellschafter bei Dornbach in Koblenz. Die Dornbach Gruppe bietet an 20 Standorten Rechtsberatung, Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Unternehmensberatung an und betreut vorwiegend mittelständische Unternehmen.
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