„Stell dir vor, ein Bankräuber schießt dir in die Schulter. Wie reagierst du?“

Wirtschaftswissenschaftler Christian Busch erklärt, wie Unternehmerinnen und Unternehmer unerwartete Ereignisse und Ungewissheit so nutzen können, dass selbst Krisen Sinn ergeben. The post „Stell dir vor, ein Bankräuber schießt dir in die Schulter. Wie reagierst du?“ appeared first on impulse.

Jun 21, 2025 - 22:40
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„Stell dir vor, ein Bankräuber schießt dir in die Schulter. Wie reagierst du?“
impulse: Christian, wir beginnen dieses Gespräch mit einer Katastrophe: Du lebst in Los Angeles, wo Anfang des Jahres die Waldbrände getobt haben, und dein Haus war betroffen. Christian Busch: Ja, wir mussten mit Kind und Kegel das Haus verlassen. Jetzt haben wir ein neues Zuhause und versuchen gerade, unseren Halt wiederzufinden. Das hat ja auch stark mit deiner Forschung zu tun, zum Thema Serendipität. Es geht darum, wie Menschen zufällige Situationen und Erfahrungen so gestalten, dass sie daraus etwas Sinnvolles ziehen können. Wenn ich mir jetzt vorstelle, wie du alles zu verlieren, und das völlig unerwartet – wie gelingt es dir, mit ­dieser Situation umzugehen? Ich bediene mich gerade tatsächlich sehr stark meiner eigenen Forschung und frage mich: Christian, was würdest du jetzt jemand anderem raten, basierend auf dem „Serendipity-Mindset“? Und es sind zwei wichtige Sachen: den Schmerz zulassen und gleichzeitig auch die nächsten Schritte fokussieren. Denn das Leben geht weiter. Und wir haben noch so viel vor und wollen auch unseren Kindern ein tolles Leben ermöglichen. Du hattest vor langer Zeit einen Unfall, bei dem du fast gestorben wärst. Resultiert deine Haltung gegenüber dem Leben auch aus ­dieser Erfahrung? Auf jeden Fall! Ich war als Jugendlicher jemand, der überall Energie reingesteckt hat – nur nicht unbedingt da, wo es sinngebend war. Ich wurde zum Beispiel von der Schule geschmissen und musste auch mal eine Klasse wiederholen. Mit 18 Jahren hatte ich dann den Unfall. Und danach habe ich mir viele Fragen gestellt: Wenn ich jetzt gestorben wäre, wen hätte es interessiert? Wer wäre zu meiner Beerdigung gekommen? War es das alles wert? Ich habe nach dem Unfall plötzlich eine Dringlichkeit empfunden, meine Bedeutung jetzt schon zu leben, und Dinge zu tun, die aus meiner Sicht wirklich Sinn ergeben. Die Zeit im Leben ist sehr kurz, also ist jetzt die beste Zeit, sich selbst Sinn zu verschaffen. Du hast einige Schicksalsschläge im Leben erlebt, dennoch bist du nie in ein Loch ­gefallen, aus dem du nicht mehr rauskamst. Du hast immer weitergemacht. Meine Eltern haben mich in dieser Haltung sehr geprägt, vor allem mein Vater. Er hat immer gesagt: Christian, manche Sachen im Leben werden klappen und manche nicht. Aber du bist immer wertvoll. Du bist immer jemand, den wir lieben. Und so wusste ich immer: Selbst wenn ich was richtig vergeige, bin ich liebenswert. Das war für mich die Grundlage, um zu sagen, dass Schicksalsschläge nicht allumfänglich sind. Es gibt ­immer Hoffnung, und es geht irgendwo weiter, wenn du weitergehen möchtest. Gibt es Techniken, um sich diese Haltung, also das „Serendipity-Mindset“, anzueignen? Aus meiner Sicht ja. Wir können versuchen, ­Katastrophen und Krisen etwas abzugewinnen und in diesen unvorhergesehenen Situationen aktiv nach Bedeutung zu suchen. Erkennt man einen Sinn in der Erfahrung, irgendwas Konstruktives? Oder sieht man nur das Unglück? Kannst du ein Beispiel nennen, wie das ­gelingen kann? Nehmen wir an, du fährst mit der Familie in den Urlaub, und auf dem Weg geht das Auto kaputt. Alle haben sich auf den Urlaub gefreut, und jetzt ist die Stimmung mies. Aber vielleicht steckt was Sinnhaftes in dieser Situation. Vielleicht gibt es keinen Handyempfang, niemand kann wegrennen und endlich findet das Familiengespräch statt, vor dem bislang alle zurückgescheut sind. Warum ist es oft so schwer, in solchen ­Situationen einen Sinn zu erkennen? Oft stehen wir uns selbst im Weg: Statt die ­Momente zu nutzen, halten wir uns zurück. Zum Beispiel habe ich auf einmal eine tolle Idee im Meeting, teile sie aber nicht. Vielleicht aus Angst, vielleicht fühle ich mich an dem Tag einfach nicht bereit dazu – warum auch immer. Und dann gehe ich raus und denke mir: Mensch, was hätte passieren können, wenn ich diese Idee geteilt hätte?! Oder als Single flirte ich mit einer Person in der U-Bahn, spreche sie aber nicht an. Und später denkt man sich: Was hätte alles passieren können?! Da stellt sich dann die Frage, was einen davon abhält, aktiv in unerwarteten Momenten zu reagieren? Und oft sind es die eigenen Muster. Mehr zum Thema Jetzt erst recht - Nico Rose „Manchmal muss man als Führungskraft ein bisschen schauspielern“ Du meinst Denkmuster? Genau. Es könnte beispielsweise sein, dass ich Angst vor Zurückweisung habe und ich mich ­deswegen zurückhalte. Das ist ein sehr häufiges ­Muster. Und wenn ich weiß, dass diese Angst ­dahintersteckt, könnte ich versuchen, sie los­zuwerden. Ich könnte mich absichtlich in Low-Risk-Situationen begeben, also Situationen, in denen ich die Abweisung provoziere und üben kann, damit umzugehen. Zum Beispiel, indem ich in einen Laden gehe und nach 50 Prozent Rabatt frage, mit der Begründung, Geburtstag zu haben. Vielleicht sagt der Verkäufer: Was für ein Freak, und weist mich ab. Vielleicht reagiert er aber auch cool und sagt: Hey, 50 Prozent geht nicht, aber ich gebe dir einen Mitarbeiterrabatt. Solche Situationen sorgen dafür, dass man erstens merkt: Viele reagieren gar nicht so negativ wie erwartet, und zweitens: Selbst wenn ich mal eine Abweisung kriege, ist es nicht dramatisch. Man muss also die eigenen Muster erkennen und willens sein, darüber zu reflektieren? Richtig, dazu gibt es auch einige Gedankenexperimente, zum Beispiel: Stell dir vor, ein Räuber kommt in die Bank, schießt und trifft deine Schulter. Und jetzt ist die Frage, wie reagierst du? Denkst du: Vielen Dank! Ich bin noch am Leben, der hätte mich auch ins Herz treffen können. Oder sind deine Gedanken: Das ist so unfair! Ich bin die einzige Person, die angeschossen wurde, immer trifft es mich, mein ganzes Leben schon. Das heißt, jeder entscheidet selbst darüber, wie die eigene Realität aussieht. Natürlich freut sich niemand über einen Schuss in die Schulter, das ist keine schöne Situation. Aber es liegt an einem selbst, ob man nun ­wochenlang herumsitzt und darüber spricht, wie unfair das Leben ist. Oder ob man sich sagt: Ich kann noch laufen, ich kann weitermachen, das Leben geht weiter. Und unsere Forschung zeigt, dass die wirklich erfolgreichen Leute jene sind, die es schaffen, das Positive gerade in den schlechten Situationen zu suchen. Was bedeutet das für Unternehmerinnen und Unternehmer? Viele erfolgreiche Menschen hatten schon Situationen, in denen es ihnen schlecht ging und es nicht lief: Sie waren fast bankrott, hatten private Krisen wie Scheidungen oder anderes. Statt aber in den Situationen zu verharren, haben sie sich auf andere Dinge konzentriert; auf Wege, die sich dann ergeben haben. Im Nachhinein, so berichten diese Menschen, waren sie froh, dass damals die Dinge so passiert sind. Mich hat dieses Mindset immer inspiriert: Lässt du dich durch die Situation definieren oder definierst du die Situation? Hinfallen, dann aber die Kraft haben, wieder aufzustehen. Keinen perfekten Plan haben, aber wissen, wo man eigentlich hinwill. Genau. Erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer folgen einem Nordstern. Sie wissen, wo sie hinmöchten, und können dann auch die Mitarbeitenden mitnehmen, selbst wenn die Dinge anders laufen als geplant. Sie schaffen es zu sagen: Hier ist unsere Priorität, hier sind ­unsere Werte, hier ist unsere Strategie – und ich brauche euch, um das Ganze zu schaffen, neue Ideen zu bekommen, sodass die Strategie noch besser wird. Gute Führung und Autorität werden heutzutage nicht durch Starrsinn oder Rigidität definiert. In der Welt, in der wir leben, kann nicht mehr einer alleine alles besser wissen und können. Heutzutage geht es darum, Informationen schnell zu finden und den Mitarbeitenden das Gefühl zu geben, dass sie auf die Informationen gut reagieren können. Kann man sagen, dass es zwei Zutaten braucht, um so zu reden wie du jetzt: Du musst reflektieren können, und du brauchst die Kraft, um deinen Weg zu gehen? Ja, ich denke, das ist eine gute Analyse. Es sind Energie, Motivation und eine innere Überzeugung sowie Werte, nach denen man handelt und lebt. Und für Unternehmerinnen und Unternehmer ist es auch wichtig, das alles nach außen zu tragen. Energie, Motivation und auch Werte müssen für alle Mitarbeitenden spürbar sein, sodass sie im Alltag danach handeln können. Wenn du dir jetzt vorstellst, dass du im Jahr 2030 zurückblickst auf dieses Frühjahr und den Brand deines Hauses: Was glaubst du, wird in deinem Kopf vorgehen? Eine meiner Prämissen im Leben ist, dass ich keine Voraussagen mache. Das Leben wird sich sowieso anders entwickeln als ich gerade denke. Ich frage mich eher: Wenn ich irgendwann auf dem Totenbett liege, was wäre diese eine Sache, die ich unbedingt gemacht haben will? Und ich denke, dass ich unbedingt das „Serendipity-Mindset“ verbreitet haben will. Dass Menschen verstehen, dass sie ausbrechen können aus Situationen, wenn sie nur offen sind für neue Wege und Möglichkeiten.

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