impulse: Frau Klink, vielen Unternehmerinnen und Unternehmern fällt es schwer, Pausen einzuhalten. Was ist Ihr Eindruck?
Astrid Klink: Ja, das ist auch mein Eindruck. Manch einer braucht erst einen gesundheitlichen Warnschuss, wie dauerhafte, starke Schmerzen, bevor er oder sie zu der Erkenntnis kommt, Pausen besser nicht dem nächsten Termin unterzuordnen.
Was sind klare Anzeichen dafür, dass mir Energie fehlt?
Zum einen natürlich ein Gefühl von Müdigkeit und Erschöpfung: Mir fällt plötzlich alles schwer. Manche Menschen leiden unter Konzentrationsstörungen. Andere sind leicht reizbar oder haben Schlafstörungen. Wieder andere kämpfen mit Verdauungsproblemen. Je mehr dieser Symptome auftreten, desto größer das Risiko einer Überforderung – und langfristig eines Burnouts.
Was kann ich dann tun?
Viele Menschen versuchen erst mal, diese Symptome zu kompensieren: Sie trinken mehr Kaffee oder essen mehr Süßes, um sich zu pushen. Manche trinken auch mehr Alkohol, und viele gönnen sich noch weniger Pausen, um trotz ihrer Erschöpfung noch alle Aufgaben unter einen Hut zu bekommen.
Das klingt nicht sinnvoll.
Ist es auch nicht. Die Symptome, die ich Ihnen genannt habe, sind typisch für chronischen Stress: Unser Körper leidet unter einem Missverhältnis zwischen anregenden Aktivitäten, bei denen unser Sympathikus im Organismus aktiv ist, und regenerierenden Aktivitäten, bei denen unser Parasympathikus aktiv ist.
Das müssen Sie genauer erklären.
Unser sympathisches Nervensystem reguliert unsere Organfunktionen in Stresssituationen oder bei Aktivität. Und das parasympathische Nervensystem ist in Entspannungsphasen aktiv. Über den Tag hinweg sollten sich Aktivitäts- und Erholungsphasen in etwa die Waage halten, damit wir in unserer Energie bleiben. Zu empfehlen sind etwa 13 Stunden Aktivierung und 11 Stunden Erholung – inklusive Nachtruhe. Grundsätzlich gilt: Ausgleich ist kein Mehr desselben.
Wie meinen Sie das?
Wenn Sie einen Bürojob haben, in dem Sie den ganzen Tag sitzen, ist es kein Ausgleich, zwischendurch für ein paar Minuten auf dem Handy zu daddeln. Sie brauchen Bewegung – und wenn es nur wenige Minuten sind. Umgekehrt besteht Erholung für jemanden, der beruflich körperlich sehr gefordert ist, nicht in einem Spaziergang. Diese Person sollte sich lieber für einige Minuten hinsetzen und mal durchatmen.
Die Expertin
Astrid Klink ist Diplom-Pädagogin, TÜV-zertifizierte Coachin und Yogalehrerin aus Wunstorf bei Hannover. Ihr Spezialgebiet: Gesundheit, Resilienz und Teamentwicklung. Sie berät Unternehmer und Unternehmerinnen. Zudem schult sie Teams zu Fragen des betrieblichen Gesundheitsmanagements.
Was kann ich konkret tun, wenn ich von Energiemangel betroffen bin?
Es sind ganz viele kleine Dinge, an denen ich arbeiten kann. Ganz wichtig: Ich sollte darauf achten, dass ich genügend schlafe. Die meisten von uns brauchen mindestens sieben Stunden Schlaf. Und dann ist noch die Frage, welche Qualität der Schlaf hat: Von den sieben Stunden verbringe ich idealerweise mindestens 90 Minuten im Tiefschlaf und 90 Minuten im Traumschlaf, den man auch REM-Schlaf nennt (Anm. d. Red.: REM = Rapid Eye Movement). Viele Smartwatches können die verschiedenen Schlafphasen tracken. Was wir nicht vergessen dürfen: Erschöpfung kann natürlich auch krankheitsbedingte Ursachen haben – das sollte ein Arzt unbedingt abklären.
Was kann ich tagsüber tun, um meine Akkus wieder aufzuladen?
Besonders wichtig sind ausreichend Bewegung und eine ausgewogene Ernährung.
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Lassen Sie uns mit der Bewegung beginnen. Viele Menschen sagen: Dafür habe ich keine Zeit.
Bei Bewegung denken die meisten an Sport. Noch wichtiger ist aber die Alltagsbewegung. Das geht ganz klein los: Alle 90 Minuten brauchen Körper und Geist eine Pause von zwei bis fünf Minuten. Wenn Sie am Schreibtisch sitzen, können Sie kurz aufstehen und die Schultern, Nacken oder Arme bewegen, Kniebeugen machen oder ein paar tiefe Atemzüge am offenen Fenster nehmen. Das führt schon zu Entlastung. Unser Gehirn ist ein Speichermedium, das nur gewisse Mengen aufnehmen kann. Es braucht Pausen, um Dinge in tiefere Schichten zu verstoffwechseln, bevor es erneut aufnahmebereit ist. Eine Pause kann auch aus kurzen Yoga-Übungen oder progressiver Muskelentspannung bestehen.
Das reicht aber vermutlich nicht als Alltagsbewegung.
Ich empfehle meinen Klienten täglich etwa 20 Minuten Bewegung an der frischen Luft. Wenn es sich einrichten lässt, gleich am Morgen. Das Tageslicht, dem wir dann ausgesetzt sind, vertreibt das Schlafhormon Melatonin, und wir werden fit für den Tag. Passt das morgens nicht in den Kalender, ist auch jede Bewegung später am Tag sinnvoll. Oder: Ich fahre mit dem Rad zum nächsten Termin oder steige eine Station früher aus der U-Bahn, um zu meinem Ziel zu laufen. So verbinde ich Arbeit und Bewegung.
Wie sieht es mit „richtigem“ Sport aus?
Idealerweise mache ich insgesamt 150 Minuten moderates Ausdauertraining pro Woche. Zum Beispiel laufen, schwimmen oder Rad fahren in mäßigem Tempo. Dazu kommen idealerweise 75 Minuten Training mit höherer Intensität. Grundsätzlich gilt aber: Am wichtigsten ist die Alltagsbewegung. Und mit jeder Trainingsminute, die ich darüber hinaus integrieren kann, tue ich meinem Körper etwas Gutes. Wenn Sie zum Beispiel nur 30 Minuten Ausdauertraining schaffen, ist das immer noch besser als nichts.
Kommen wir zu dem Thema ausgewogene Ernährung.
Ein großes Thema!
Was sind hier die häufigsten Fehler?
Viele Menschen essen zu viel Zucker. Der lässt meinen Blutzuckerspiegel in die Höhe schnellen und rasch wieder absacken. Dadurch bekomme ich Heißhunger, esse wieder was Süßes oder Fettiges und das Ganze beginnt von vorn. Auf Dauer führt das zur Erschöpfung der Bauchspeicheldrüse, weil sie laufend Insulin produzieren muss. Das kann zu einer Insulinresistenz und im schlimmsten Fall zu Diabetes Typ 2 führen. Andere essen zu viel Fett, das den Verdauungstrakt lange beschäftigt. Das macht uns müde. Und wieder andere trinken zu wenig. Das hat zur Folge, dass unser Blut zähflüssiger wird. Dann werden wir ebenfalls langsamer im Kopf und fühlen uns energielos.
Welche Fehler kann ich noch machen?
Es gibt eine Reihe von Nährstoffen, die vielen von uns fehlen. Individuell ist das natürlich sehr verschieden: Die Klassiker sind Vitamin D, Magnesium und Eisen – insbesondere bei Frauen im gebärfähigen Alter und Vegetariern und Veganern. Und bei Vegetariern und vor allem Veganern besonders Vitamin B12. Für sie ist es auch oft schwierig, auf die notwendige Menge Eiweiß zu kommen. Ein Mangel kann ebenfalls zu einem Gefühl von Schwäche und Energiemangel führen.
Wie finde ich heraus, welche Nährstoffe mir konkret fehlen?
Ich rate meinen Klienten dazu, mindestens einmal im Jahr ein Blutbild beim Arzt machen zu lassen, das die wichtigsten Vitamine und Nährstoffe mit abbildet. Der kann genau feststellen, ob und welche Mangelerscheinungen ich habe. Und dann kann ich mit einer Ernährungsumstellung oder Nahrungsergänzungsmitteln gegensteuern.
Worauf sollte ich noch achten?
Über die Woche verteilt sollte ich 30 verschiedene Sorten Gemüse, Obst und Kräuter zu mir nehmen, damit ich meinen Nährstoffbedarf abdecke. Gemüse sollte den Hauptanteil bilden.
Das ist aber ganz schön viel. Wie komme ich denn auf 30 Gemüsesorten?
Das Gute ist, dass auch Kräuter dazugehören. Wenn Sie Ihr Essen also zum Beispiel mit Basilikum, Petersilie oder Oregano würzen, haben Sie schon drei verschiedene Sorten zusammen. Versuchen Sie beim Einkaufen immer eine möglichst farbenfrohe Vielfalt an Gemüse- und Obstsorten zusammenzustellen, und führen Sie anfangs ruhig eine Strichliste über die Anzahl der Sorten, die Sie gegessen haben. Diese Vielfalt und die Menge der Ballaststoffe, die damit aufgenommen werden, sind entscheidend, um unsere Darmflora gesund zu halten. Wenn dort nicht genügend Nährstoffe ankommen, können die auch nicht ins Blut und ins Hirn weitertransportiert werden.
Wie viel Obst und Gemüse sollte ich denn täglich essen?
Ein halbes Kilo, also fünf Hände voll Obst und Gemüse sind ein guter Richtwert. Wobei der Schwerpunkt beim Gemüse liegen sollte, weil Obst oft sehr zuckerreich ist. Beeren, gerade die dunklen Sorten, sind auch sehr empfehlenswert, weil sie viele Vitamine und Antioxidantien enthalten, aber weniger Zucker als andere Obstsorten.
Was ist neben Obst und Gemüse wichtig?
Ballaststoffe natürlich, die nicht nur in Obst und Gemüse, sondern auch in Vollkornprodukten enthalten sind. Der Körper braucht lange, um die Inhaltsstoffe aufzuspalten, deshalb machen uns diese Lebensmittel lange satt und halten den Blutzuckerspiegel konstant. Das verhindert Heißhungerattacken. Diese Lebensmittel liefern zudem B-Vitamine und viele Mineralien wie Magnesium, Zink und Selen, die ebenfalls für viele Körperfunktionen und das Nervensystem wichtig sind.
In der Theorie wissen viele Menschen vieles davon. Wie setze ich das nun konkret um?
Mein Tipp: Probieren Sie mal aus, gesund zu essen. Testen Sie es 14 Tage lang und beobachten Sie, wie es Ihnen geht. Ich bin überzeugt: Sie werden schnell merken, dass Sie sich fitter fühlen. Sie müssen auch nicht komplett auf Süßes verzichten. Wenn Sie sich zum Beispiel einen Quark mit Beeren zubereiten, können Sie diesen ruhig mit etwas Honig oder Ahornsirup süßen. Das ist besser, als wenn Sie Industriezucker zu sich nehmen.
Wie lange dauert es Ihrer Erfahrung nach, gesunde Gewohnheiten zu etablieren?
Gewohnheiten zu verändern, ist mit Abstand das Schwierigste, was wir Menschen machen können. Es fällt uns umso schwerer, je länger die Gewohnheit besteht, die wir verändern wollen. Fragt man Motivationstrainer, hört man oft, dass es mindestens drei Wochen braucht, in denen wir diese neue Gewohnheit täglich ausüben. Dann fängt unser Gehirn so langsam an, neue Verhaltensmuster auszuprägen. Wenn Ihnen drei Wochen zu lang sind, können Sie aber auch noch kleiner anfangen.
Wie denn?
Sie könnten sagen: Ab sofort lege ich zwei Tage in der Woche fest, an denen ich ganz besonders auf meine Ernährung achte, viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukte und wenig oder keinen Zucker zu mir nehme. Wenn Sie sich daran gewöhnt haben, bauen Sie das schrittweise aus: Auf einen dritten und vierten Tag – bis Sie schließlich bei der ganzen Woche sind.
Gibt es noch andere Dinge, die ich rund ums Thema Essen wissen sollte?
Vielen ist nicht bewusst, wie wichtig die Pausen zwischen dem Essen sind: Drei bis vier Stunden sollten zwischen zwei Mahlzeiten liegen. In dieser Zeit sollten wir nichts zu uns nehmen – bis auf Wasser und ungesüßte Tees.
Warum ist das wichtig?
Mein Organismus muss die Chance haben, die Dinge vollständig zu verwerten und beispielsweise auch den Fettstoffwechsel erst mal anzukurbeln. Wenn wir konstant essen, halten wir ihn von diesen Prozessen ab. Es gibt drei große Zonen im Körper, wo die Energie hingeht, die wir aufnehmen: in unser Hirn, in die Muskeln und in den Darm. Und wenn der Darm ständig mit Verdauen beschäftigt ist, dann geht die ganze Energie – oder ein sehr großer Teil – auch dorthin. Für Hirn und Muskeln bleibt vereinfacht gesagt nicht viel übrig.
Ein klassisches Gegenargument zur gesunden Ernährung lautet: Ich habe keine Zeit, lange in der Küche zu stehen.
Gesunde Ernährung kostet Zeit. Ich kann den Aufwand aber reduzieren und mir etwa Gemüsekisten liefern lassen. Sie können auch größere Mengen zubereiten und portionsweise einfrieren – Gemüsesuppen zum Beispiel. Gesunde Ernährung bedeutet auch nicht, dass Sie nie wieder Currywurst essen dürfen. Viele Menschen glauben, dass sie „verloren“ haben, wenn sie ab und zu sündigen, und dass es sich deshalb gar nicht lohnt, auf gesunde Ernährung zu achten. Das ist Quatsch. Jeder Tag, an dem wir uns ausgewogen ernähren, leistet einen Beitrag zu unserer Gesundheit. Wenn Sie sich auf lange Sicht am Pareto-Prinzip orientieren und in etwa 80 Prozent der Fälle auf Ihre Ernährung achten, sind Sie schon sehr gut dabei.
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