Es ist Zeit, Chrome zu deinstallieren

Wie Google mit seinem Browser Macht ausübt – und welche Alternativen es gibt.

Mai 17, 2025 - 11:02
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Es ist Zeit, Chrome zu deinstallieren

Wie Google mit seinem Browser Macht ausübt – und welche Alternativen es gibt.

Ein Kommentar von Frank Ritter. Im Folgenden die Textversion des oben eingebundenen Videos.

Was Chrome alles weiß

Chrome ist beliebt, bei uns in der GIGA-Redaktion genauso wie überall. Kein Wunder: Der Webbrowser ruft Webseiten flink auf, er hat nützliche Funktionen und Erweiterungen. Er hat aber auch ein Problem: Er gehört zu Google. Einem Unternehmen, das vielleicht etwas zu viel über uns alle weiß – vor allem dank Chrome.

Man sollte sich in Erinnerung rufen, wie Google den Großteil seines Geldes verdient: mit Werbung. Genauer gesagt: mit Werbung, die möglichst gut an den Empfänger angepasst ist. Anders formuliert: Je besser Google euch kennt, desto mehr verdient der Konzern.

Für Google macht es entsprechend Sinn, alle Suchanfragen seiner Nutzer zu kennen und auszuwerten. Doch nicht nur das. Die Browser-History, also ein Archiv aller von euch per Chrome-Browser besuchten Seiten, wird bei aktiver Synchronisierung ebenfalls an Googles Server gesendet. Dazu kommen Daten von anderen Google-Diensten, etwa der eigene Standort, App- und Medien-Käufe über Google Play und Videos, die man bei YouTube gesehen hat.

Das alles wird im Google-Account zusammengeführt – und im Chrome-Browser ist man, sobald die Synchronisierungs-Funktionen aktiv ist, immer eingeloggt. Unter myactivity.google.com und takeout.google.com kann jeder Nutzer die Daten einsehen, die Google gespeichert hat.

Sogar im Inkognito-Modus ist man vor Googles Tracking nicht sicher: Erst 2023 wurde Google dazu verdonnert, darauf hinzuweisen, dass die Firma auch hier weiterhin Daten erheben kann. Wirklich verschleiert sind die Daten nur vor anderen Nutzerinnen und Nutzern des Rechners.

Was, wenn man nicht möchte, dass diese Daten zusammengeführt und ausgewertet werden? Chrome besitzt einige Stellschrauben, um zumindest einiges an Datenweitergabe einzuschränken. Wirklich übersichtlich ist das aber nicht; viele Daten zu teilen, ist die Standardeinstellung. Und wer ändert die schon?

Dass Google die gesammelten persönlichen Daten nur für „gute Zwecke“ – also personalisierte Werbung – verwendet und aus dem früheren Firmenmantra „Don't be evil“ kein „Just do it“ wird, verlangt einiges an Vertrauen. Vertrauen in das Unternehmen Google, seine Motive und darauf, dass sich die politische Situation in Googles Heimatland, den USA, nicht noch weiter verschärft.

Für mich sind das genug Gründe, Chrome den Rücken zu kehren und nach einer Browser-Alternative zu suchen. Wir fangen an mit Webbrowsern, die sich stark an Chrome anlehnen.

Chrome in anderen Kleidern

Wenn ihr euch nicht sonderlich umgewöhnen wollt: Ungoogled Chromium ist praktisch Chrome, nur mit sämtlichen Google-Features herausgeworfen. Ansonsten sieht es aus wie das Original und fühlt sich auch so an.

Vivaldi ist ein Browser aus Norwegen vom ehemaligen Opera-Team, der einen verbesserten Tracking-Schutz und zusätzliche Features integriert, etwa dedizierte Arbeitsbereiche, mit denen ihr Tabs gruppieren könnt – das braucht aber sicher nicht jeder.

Noch mehr an der Usability ändert Arc. Hier werden Tabs in einer Seitenleiste links angeordnet. Ähnlich wie bei Vivaldi gibt es verschiedene Arbeitsbereiche, Websites können aber auch im Split-Screen geöffnet und als Lesezeichen gespeichert werden. Die Änderungen erfordern jedoch einiges an Umgewöhnung. Arc verlangt zudem bei der Einrichtung einen eigenen Account und da die Firma ihren Sitz in den USA hat, darf man hier ähnliche Bedenken haben wie bei Chrome.

Bereits angesprochen: Opera. Ihn gibt es seit 1995, als einer der ersten Browser brachte Opera Mausgesten und Tabs in die Browser-Welt, er beinhaltete ein E‑Mail-Programm und einen Torrent-Client, heute sind VPN, IPFS, Instant-Messenger und KI-Agenten implementiert. Außerdem gibt es zwei Ableger mit besonderem Fokus:Opera GX besitzt einen Gaming-Fokus, bietet brachiale Gamer-Optik, semi-nützliche Features wie einen RAM-Limiter und Integrationen für zum Beispiel Twitch. Opera Air ist die Antithese dazu: Hier steht das digitale Wohlbefinden im Vordergrund, mit sogenannten „Boosts“, also kuratierter Musik und Geräuschkulissen zum Konzentrieren und Atem- und Entspannungsübungen, mit denen man eine kurze Pause einlegen kann.

Gibt es einen Haken? Nun, auch wenn der Hauptsitz von Opera noch in Norwegen liegt, gehört der Browser mittlerweile einem Konsortium an chinesischen Unternehmen. Bedenklich daran ist, dass die chinesische Regierung Einfluss ausüben könnte, welche Inhalte aufrufbar sind oder dass sie Zugriff auf private Daten erhalten könnte – zumindest theoretisch.

Brave ist ein Projekt, das persönliche Daten besser schützen will und dessen Team sogar eine eigene Suchmaschine entwickelt. Allerdings ist in Brave neben einem Werbeblocker auch KI- und Kryptokram integriert, das Unternehmen sitzt ebenfalls in den USA.

Gleicher Wein in anderen Schläuchen

Wenn wir einen genauen Blick auf diese Alternativen werfen, fällt eines auf: Sie setzen auf Chromium, was auch die technische Basis von Chrome ist. Das ist ein Open-Source-Projekt, das zu einem großen Teil von Google entwickelt und finanziert wird.

Eine eigene Browser-Engine konkurrenzfähig zu machen und zu halten, dauert ewig und kostet entsprechend extrem viel Geld. Den Aufwand sparen sich viele große und kleine Entwickler, deshalb basieren neben Google Chrome auch alle bis jetzt genannten Browser, sowie Microsoft Edge, der Samsung-Browser, Amazon Silk und Xiaomis Mi Browser allesamt auf Chromium.

Und das merkt man auch: Wenn Google eine Änderung durchdrücken will, – etwa, dass Manifest v3 für Erweiterungen genutzt werden muss, wodurch „rein zufällig“ Adblocker nicht mehr funktionieren – dann tröpfelt diese Entscheidung auch in die anderen Chromium-basierten Browser über. Ausnahme: Die Hersteller kümmern sich selbstständig um den Support alter Funktionen. Was mit zusätzlichen Kosten einhergeht und deswegen früher oder später sehr wahrscheinlich eingestellt wird.

Google übt mit Chromium also Macht aus, aufs Web, die Entwicklung von Standards und zahllose Industrien, die mit dem Netz Geld verdienen. Das kann auch gute Effekte haben, aber sie konzentriert auch Macht in den Händen eines einzelnen Akteurs. Das ist auch der Grund, warum die US-Regierung droht, Chrome von Google zu trennen.

Echte Alternativen zur Chromium-Monokultur

Wer als Privatanwender Google den Rücken kehren und auch nicht indirekt durch die Nutzung eines Chromium-Derivats unterstützen möchte, muss also auf Browser mit einem anderen Kern setzen.

Auf dem Mac, iPad und iPhone gibt es mit Safari immerhin eine Option, die beim Tracking-Schutz viel besser ist als Google Chrome und mit WebKit auch auf eine eigene Browser-Engine setzt.

Und auf dem Windows- oder Linux-PC? Da gibt es noch den Klassiker schlechthin: Firefox. Der nutzt mit Gecko ebenfalls eine eigene Engine. Firefox steht Chrome in Sachen Stabilität, Geschwindigkeit und Sicherheit in nichts mehr nach – war auch mal anders.

Firefox sammelt grundsätzlich weniger Daten und man kann ihn sogar noch zusätzlich abhärten. Wer den ganzen Mozilla-Kram darin nicht mag, kann auch auf eine Firefox-Variante mit Datenschutz-Fokus und weniger Bloat setzen, populär sind LibreWolf und Waterfox.

Ich bin vor knapp zwei Jahren komplett auf Firefox umgestiegen, am PC und am Smartphone. Manche Sachen sind besser, manche schlechter als bei Chrome. Ich bin aber insgesamt richtig zufrieden und kann praktisch alle Seiten und Webdienste genauso nutzen wie mit Chrome.

So einfach ist es doch nicht

Safari und Firefox bzw. die Firmen, die dahinterstehen, also Apple und Mozilla, sind beide nicht ohne Tadel. Apple wird vorgeworfen, dass der Konzern aus Cupertino die Weiterentwicklung des Web über Jahre verlangsamt habe und die Tatsache, dass man keine alternativen Browser-Engines am iPhone und iPad nutzen darf, ein Monopol darstelle.

Mozilla hängt auch am Geldhahn von Google und hat zuletzt mit dubiosen Änderungen der Nutzungsbedingungen Schlagzeilen gemacht.

Mit einem Wechsel zu Firefox ist man streng genommen Google noch nicht komplett los. Denn Chromium steckt auch in ganz vielen Anwendungen, auf denen nicht „Chrome“ draufsteht: Spotify, Discord, Steam, Slack, Twitch und viele weitere.

Die Technologie, mit der man HTML-Seiten mit einem Browser bündelt und als Desktop-Programm verteilt, nennt sich Electron; damit sparen Unternehmen Zeit und Geld bei der Entwicklung von Anwendungen. Nachteil: Electron-Apps fressen Systemleistung und Arbeitsspeicher ohne Ende. Zumindest bei einigen Anwendungen wie Spotify und Discord gibt es aber einen einfachen Workaround: Alles direkt im Browser öffnen. Im Idealfall einem, der nicht Chrome ist.

Fazit: Gar nicht so einfach, Chrome zu entkommen

Google Chrome ist gut, Chromium ein Geniestreich: Das erste ist ein sehr guter Browser, das zweite eine Technologie, die für zahllose andere Firmen fast unwiderstehlich ist, weil sie hoch entwickelt ist und massig Geld spart. Wer davon komplett loskommen will, muss aktuell Safari oder Firefox nutzen – beides keine kritikfreien, aber zumindest kompetente Browser.

Hoffnung weckt darüber hinaus Ladybird, ein vollständig unabhängig entwickelter Open-Source-Browser, der allerdings erst 2026 in einer ersten Alpha offiziell rauskommen soll. Trotzdem eine wichtige Entwicklung im Kampf gegen die Chrome-Monokultur und ein Projekt, das man im Blick behalten sollte.