BFSG: Einführung in das Barrierefreiheitsgesetz
Der digitale Zugang zu Informationen, Produkten und Dienstleistungen ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Websites, Online-Shops und Apps haben einen großen Einfluss auf die wirtschaftliche und soziale Teilhabe. Doch trotz des wachsenden Angebots ist digitale Barrierefreiheit noch immer kein Standard. Um hier Abhilfe zu schaffen und seiner Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 […]

Der digitale Zugang zu Informationen, Produkten und Dienstleistungen ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Websites, Online-Shops und Apps haben einen großen Einfluss auf die wirtschaftliche und soziale Teilhabe. Doch trotz des wachsenden Angebots ist digitale Barrierefreiheit noch immer kein Standard. Um hier Abhilfe zu schaffen und seiner Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 nachzukommen, hat der Gesetzgeber mit dem BFSG einen ersten Rahmen für eine verpflichtende barrierefreie bzw. barrierearme Gestaltung im digitalen Bereich geschaffen.
Was ist digitale Barrierefreiheit – und Zweck des BFSG?
Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass eine Website so gestaltet und programmiert ist, dass sie auch und insbesondere von Menschen mit Seh-, Hör-, motorischen oder kognitiven Einschränkungen genutzt werden kann. Im weiteren Sinne kann darunter auch die bessere Nutzbarkeit des digitalen Raums für die weniger digital affine ältere Generation verstanden werden. Auch wenn dies auf den ersten Blick nur als eine weitere gesetzliche Verpflichtung erscheinen mag, kann eine solche Gestaltung auch wirtschaftliche Vorteile für die Betreiber mit sich bringen, indem sie potenzielle neue Kundenkreise erschließt. Diese Faktoren haben wiederum einen erheblichen Einfluss auf die Position der Website in Suchmaschinen wie Google – eine wichtige Größe also für eine erfolgreiche Webseite und damit einen Teil der Existenzgrundlage eines Unternehmens. Darüber hinaus müssen betroffene Unternehmen aus dem öffentlichen und privaten Sektor sowie Betreiber von Websites, Online-Shops und mobilen Anwendungen (Apps) die gesetzlichen Vorgaben zur digitalen Barrierefreiheit beachten.
Digitale Barrierefreiheit – wer muss was gewährleisten?
Die Regelungen des BFSG richten sich an alle Unternehmen und Personen, die Produkte oder Dienstleistungen für Verbraucher anbieten. Eine Ausnahme gilt für Unternehmen, die weniger als zehn Personen beschäftigen und entweder einen Jahresumsatz von höchstens 2 Mio. Euro erzielen oder deren Jahresbilanzsumme 2 Mio. Euro nicht übersteigt (§ 2 Nr. 17 BFSG).
Produkte und Dienste, die unter das Gesetz fallen, müssen für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sein. Was das heißt, wird in der Verordnung über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen nach dem BFSG (BFSGV) konkretisiert (§ 3 Abs. 1 S. 2-3 BFSG).
Die (neue) Barrierefreiheitserklärung nach dem BFSG
Unternehmen und Personen müssen ferner über ihre Maßnahmen zur Barrierefreiheit informieren (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 BFSG i.V.m. Anlage 3). Die verpflichtenden Angaben umfassen insbesondere:
- eine Beschreibung der Dienstleistung in einem barrierefreien Format;
- eine Beschreibung zur Durchführung der Dienstleistung;
- eine Beschreibung zur Umsetzung der Anforderungen der BFSGV und
- die Angabe der zuständigen Marktüberwachungsbehörde.
Die Informationspflicht nach dem BFSG besteht unbeachtlich der Informationspflicht nach Art. 13 f. DSGVO und der Informationspflicht zum Bestehen eines Widerrufsrechts nach Art. 246 EGBGB.
Zur Ausgestaltung der Barrierefreiheitserklärung konkretisiert § 12 Abs. 1 Nr. 2 BFSGV:
- die Informationen müssen über mehr als einen sensorischen Kanal bereitgestellt werden,
- für Verbraucher mit besonderen Einschränkungen auffindbar sein,
- für diese in verständlicher und wahrnehmbarer Weise dargestellt werden,
- sie muss in Textformaten zur Verfügung gestellt werden, die sich zur Generierung alternativer assistiver Formate eignen, die die Texte auf unterschiedliche Art darstellen und über mehr als einen sensorischen Kanal wahrnehmbar machen können,
- sie muss in einer Schriftart mit angemessener Größe und mit geeigneter Form und mit ausreichendem Kontrast sowie ausreichenden Abständen zwischen den Buchstaben, Zeilen und Absätzen dargestellt werden,
- eine alternative Darstellung für Elemente nicht-textlichen Inhalts anbieten,
- die für die Erbringung der Dienstleistung erforderlichen Informationen werden auf konsistente und angemessene Weise bereitstellen, indem sie wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet wird
Nach Anlage 3 Ziff. 1 BFSG kann die Barrierefreiheitserklärung in die AGB aufgenommen werden. Auch möglich scheint es, die Erklärung als Subwebseite zu formatieren und deutlich zu verlinken.
Verfahren bei fehlenden / ungenügenden Informationen
Werden die Informationen nach § 14 BFSG, Anlage 3, nicht oder nicht vollständig erteilt oder nicht oder nicht vollständig in barrierefreier Form zugänglich gemacht, dann liegt ein Fall von „formaler Nichtkonformität“ gemäß § 30 Abs. 2 BFSG vor. In diesem Fall fordert die zuständige Aufsicht den Verpflichteten nach § 30 Abs. 1 BFSG zunächst auf, den Fehler binnen einer Frist zu beheben. Sollte der Verpflichtete die Frist fruchtlos verstreichen lassen, kann ihm das Anbieten seiner Produkte oder Dienste nach § 30 Abs. 3 BFSG bis zur Behebung des Mangels untersagt werden. Im Übrigen kann der Verstoß mit Bußgeld von bis zu hunderttausend Euro geahndet werden (§ 37 Abs. 1 Nr. 8 BFSG).
Wichtige Fristen zur Umsetzung
Die gesetzlichen Anforderungen gelten für Produkte, Dienstleistungen, Webseiten und Apps, die nach dem 28. Juni 2025 angeboten werden. Wer ab diesem Zeitpunkt keine Barrierefreiheit sicherstellen kann, riskiert Sanktionen. Für bestimmte Fälle bestehen jedoch die folgenden Übergangsfristen vor:
Fristverlängerung bis 27. Juni 2030
Diese Umsetzungsfrist gilt für alle Dienstleistungserbringer, die Produkte vor dem 28. Juni 2025 genutzt haben. Diese dürfen die Produkte weitere 5 Jahre wie gewohnt einsetzen. Verträge, die vor dem 28. Juni 2025 geschlossen wurden, dürfen ebenfalls weitere 5 Jahre unverändert fortbestehen.
Fristverlängerung bis 27. Juni 2040
Selbstbedienungsterminals dürfen bis zum Ende ihrer wirtschaftlichen Nutzungsdauer, aber nicht über 15 Jahre hinaus unverändert genutzt werden. Wann ein solches Terminal vorliegt, sagt das Gesetz nicht, jedoch mag man sich an der Definition für Zahlungsterminals (§ 2 Nr. 25 BFSG) orientieren können, dass die elektronische Bedinung an einer physischen Verkaufsstelle gemeint sein soll.
Barrierefreiheit – eine neue (langfristige) Aufgabe
Die Verpflichtung zur Barrierefreiheit zielt darauf ab, allen Nutzern unabhängig von ihren physischen oder kognitiven Fähigkeiten den Zugang zu Informationen und Dienstleistungen im Internet zu ermöglichen. Auf Seiten der Anbieter kann dies ein breites Spektrum von Maßnahmen umfassen – von der Neugestaltung digitaler Dienste und Webseiten bis hin zur Umgestaltung der Hardware. Entscheidend ist, dass Barrierefreiheit keine einmalige Aufgabe ist, sondern ein kontinuierlicher Prozess, der regelmäßiger Überprüfung und Anpassung bedarf. Ggf. kann vor der Umsetzung auch eine Beratung zur Rechtslage im Hinblick auf die digitale Barrierefreiheit sowie die individuellen Möglichkeiten bei der Umsetzung sinnvoll sein.
Gefällt Ihnen der Beitrag?
Dann unterstützen Sie uns doch mit einer Empfehlung per:
TWITTER FACEBOOK E-MAIL XING
Oder schreiben Sie uns Ihre Meinung zum Beitrag:
HIER KOMMENTIEREN
© www.intersoft-consulting.de