Erfolg gilt oft als Ziel aller Mühen – doch was, wenn einen das Erreichen großer Meilensteine nicht mit Freude erfüllt, sondern erschöpft? Viele Menschen erleben eine unerwartete Leere nach Erfolgen. Bei manchen kann diese Leere sogar in eine Depression münden. Im Interview erklärt der Coach Daniel Holzinger, warum uns Erfolge nicht automatisch glücklich machen – und was wirklich dabei hilft, innere Stabilität zu finden.
impulse: Viele Menschen haben das schon einmal erlebt: Man hat ein schwieriges Projekt abgeschlossen, an dem man lange gearbeitet hat. Aber anstatt sich zu freuen, fällt man in ein Loch. Warum passiert das?
Daniel Holzinger: Wir haben oft überzogene Erwartungen daran, wie glücklich uns etwas machen wird. Wenn man monatelang an etwas gearbeitet hat, fühlt man sich danach vermutlich erst einmal erschöpft. Vielleicht ist man auch erleichtert, dass man es geschafft hat. Aber das überwältigende Glücksgefühl, das man sich im Vorfeld ausgemalt hat, stellt sich nicht ein.
Meine Erwartung war doch erst einmal, das Projekt erfolgreich abzuschließen.
Das Verrückte an Erwartungen ist: Wenn sie nicht erfüllt werden, sind wir enttäuscht. Wenn sie übertroffen werden, dann freuen wir uns. Aber wenn unsere Erwartungen erfüllt werden, wenn wir also genau das erreichen, was wir angestrebt haben: Dann freuen wir uns nicht dauerhaft.
Es macht einen also nicht glücklich, seine Ziele zu erreichen?
Zumindest ist es keine Garantie. Ich hatte mal einen Klienten, der sich am Ende seines Berufslebens ein großes Wohnmobil gekauft hat. Er dachte, dass ihn das erfüllen würde. Doch dann saß er in diesem Wohnmobil und war depressiv. Er konnte einfach nicht verstehen, warum ihn die Erfüllung seines Lebenstraums nicht glücklich machte. Und das machte ihn noch unglücklicher.
Was hast du ihm geraten?
Ich habe ihn gefragt, ob es an dem Wohnmobil etwas auszusetzen gab. Er hatte es wochenlang konfiguriert, alles selbst ausgesucht, mit seinem eigenen Geld bezahlt. Alles war genau so, wie er es sich erträumt hatte. Also sagte ich zu ihm: ‚Dann hast du auch keinen Grund, dich zu freuen.‘ Wenn wir bekommen, was wir wollten, freuen wir uns nicht. Ich habe versucht, ihm zu dieser Einsicht zu verhelfen und ihm zu zeigen, wie gut es ihm eigentlich geht. Nach ein paar Sitzungen hatte er verstanden, in welche Falle er getappt war.
Wenn ich erst einmal mein Ziel erreicht habe, werde ich glücklich – das ist also ein Irrglaube. Wie verhindere ich, in diese Falle zu tappen?
Der erste Schritt ist, das Phänomen zu verstehen. Du machst dich von äußeren Umständen abhängig und glaubst, dass es dir gut gehen wird, wenn du etwas Bestimmtes geschafft hast. Aber wenn du dieses Ziel erreichst, merkst du, dass es dich nicht zwangsläufig erfüllt. Wo liegt also dein Problem? Haben deine negativen Gefühle mit dem Ziel zu tun, das du erreicht hast? Oder mit deinem Denken und deinen eigenen Erwartungen?
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Man steht sich mit seinen Erwartungen selbst im Weg?
Genau. Ich kenne das selbst. Wir haben unsere Hochzeitsreise in Australien verbracht. Vorher hatte ich viele Reiseführer studiert, verschiedene Routen geplant und mir ein sehr genaues Bild von diesem Land gemacht. Und weißt du, wie ich mich dort gefühlt habe? Ernüchtert. Aber nicht Australien hat mich getäuscht, sondern meine Vorstellung davon.
Besser wäre es, gar keine Erwartungen zu haben?
Das ist meine Lehre daraus, ja. Ich versuche, mir vorher kein Bild zu machen, dann kann ich mich überraschen lassen. Das ist nicht die ultimative Lösung. Aber es hilft, sich das immer wieder vor Augen zu führen. Egal, ob du dein Jahresziel erreichst, ein Haus baust oder einen teuren Urlaub buchst – du hast immer bestimmte Erwartungen daran. Und häufig wirst du enttäuscht. Aber nicht vom Haus, dem Urlaub oder dem erreichten Erfolg, sondern von dir selbst. Kognitive Dissonanz nennt man das in der Fachsprache.
Es ist das eine, sich dieses Phänomen bewusst zu machen. Aber wie kommt man raus aus diesem Denkmuster?
Eine meditative Sicht auf die Welt hilft. Die Dinge so anzunehmen, wie sie sind. Mein Lehrer hat einmal zu mir gesagt, die größte Macht im Leben ist, Nein zu sagen. Etwas nicht zu tun, nicht zu wollen, auf etwas zu verzichten. Und sich von der verrückten Forderung freizumachen, ständig glücklich sein zu wollen.
Wie bitte? Ist es nicht menschlich, nach dem Glück zu streben?
Es steckt in uns Menschen, dass wir von nichts genug bekommen können. Aber wenn man alles erreicht hat und sich dann auch noch darüber ärgert, weil sich das erhoffte Glücksgefühl nicht einstellt – das ist absurd. Ich glaube, dass ein gutes und zufriedenes Leben nicht unbedingt ein glückliches Leben sein muss.
Und wie sähe so ein gutes und zufriedenes Leben dann aus?
Mein Ratschlag wäre, emotional und intellektuell zu reifen und sich zu fragen: Bin ich kindisch, brauche ich dieses ständige Glücksgefühl? Oder kann ich erkennen, dass in meinem Leben eigentlich alles in bester Ordnung ist, und das dann gutheißen? Mit der Zeit wird dir bewusst werden, dass das Gefühl von Zufriedenheit und Erfüllung nicht von äußeren Umständen abhängt, sondern von unserer Denkweise.
Der Experte
Dr. Daniel Holzinger ist promovierter Humanbiologe. Er arbeitet seit vielen Jahren als Coach und leitet gemeinsam mit seiner Frau das Dr. Holzinger Institut. Dort beraten und coachen sie Menschen individuell und bilden sie im kognitiven Ansatz aus, einem wissenschaftlich fundierten Ansatz in der Psychotherapie.
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