Immer online? Gen Z und Millennialls von Social-Media-Sucht in Deutschland besonders betroffen
Eine neue Studie von YouGov und der Hochschule Macromedia zeigt: Jede:r Vierte der Gen Z und Millennials in Deutschland zeigt Anzeichen von Social-Media-Sucht. Besonders TikTok und Instagram wirken wie digitale Fallen – mit Folgen für Gesundheit und Alltag. Viele Betroffene berichten etwa von ständigem gedanklichen Kreisen um Social Media oder davon, dass sie die Plattformen nutzen, um der Realität zu entkommen oder ihre Stimmung zu heben. Und ein Geschlecht scheint besonders betroffen.

TikTok im Aufzug, Insta im Seminar, ein Snap vorm Einschlafen: Für viele Menschen, vor allem Jüngere, sind soziale Netzwerke längst Teil des Alltags geworden. Aber was passiert, wenn „nur kurz scrollen“ zur Routine wird – und diese Routine zur Belastung? Eine neue Studie von YouGov und der Hochschule Macromedia zeigt: Rund ein Viertel der Gen Z in Deutschland zeigt Anzeichen einer problematischen Social-Media-Nutzung. Bei den Millennials sind es sogar 26 Prozent. Das bleibt nicht folgenlos – weder für die mentale Gesundheit noch für Job und Studium.
Für die Analyse wurden über 2.000 Personen ab 18 Jahren online befragt – die Ergebnisse sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung. Grundlage der Studie ist die sogenannte Bergen Social Media Addiction Scale, ein wissenschaftlich anerkanntes Messinstrument zur Bewertung von Social-Media-Abhängigkeit. Die Zahlen zeichnen ein deutliches Bild: Viele junge Nutzer:innen kämpfen damit, den eigenen Konsum zu kontrollieren. Aber auch ältere User zeigen Anzeichen für eine Abhängigkeit.
Während klassische Plattformen auf maximale Verweildauer setzen und es Usern so erschweren, mit dem Scrollen aufzuhören, denken neue Player wie OpenAI bereits über weitere Social-Media-Plattformen nach.
Fokus auf Bildgenerierung:
Stellt OpenAI bald ein Social Network vor?
Instagram und TikTok besonders schwer loszulassen
Ein zentrales Ergebnis der Studie: Besonders TikTok und Instagram scheinen Suchtpotenzial zu besitzen. Beide liegen deutlich über dem Skalenmittelpunkt – ein Hinweis auf ihre besondere Wirkung.
Suchtfaktor Social Media: 15 Prozent der Deutschen sind gefährdet
YouGov und Hochschule Macromedia veröffentlichen aktuelle Studie zur Social Media-Nutzung in Deutschlandhttps://t.co/3HPwo9PuRz pic.twitter.com/17mgjDIIfC— Informationsdienst Wissenschaft – Nachrichten (@idw_online_de) May 26, 2025
Das von der Studie veröffentlichte Schaubild, das unter anderem vom Informationsdienst Wissenschaft (idw) auf X geteilt wurde, macht deutlich: TikTok und Instagram funktionieren für viele Nutzer:innen wie digitale Endlosschleifen. Beide Plattformen liegen mit durchschnittlich 58 beziehungsweise 55 Punkten deutlich über dem neutralen Skalenwert von 50 – ein klarer Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für Gewohnheitsbildung oder sogar Suchtverhalten. Auffällig ist auch der Unterschied zwischen den Geschlechtern: Frauen berichten von größeren Schwierigkeiten, das Scrollen zu beenden. Bei TikTok erreichen sie im Schnitt 61 Punkte, Männer 54. Auch bei Instagram zeigt sich ein ähnliches Bild: Frauen kommen auf 57 Punkte, Männer auf 52.
Ein Grund dafür könnte in der Plattformlogik selbst liegen: Beide Dienste setzen stark auf algorithmisch kuratierte Feeds, visuelle Reize und endloses Scrollen – ein Hebel, der Aufmerksamkeit erreicht und bewusste Ausstiegsentscheidungen erschwert. Der sogenannte „Infinite Scroll“ wirkt so für viele nicht wie ein neutrales Feature, sondern wie eine gezielte Bindungsstrategie – mit potenziell negativen Folgen für das Wohlbefinden. Sven Runge, Head of Research bei YouGov Deutschland, betont, wie wichtig es ist, zwischen intensiver Nutzung und einer echten Abhängigkeit zu unterscheiden.
TikTok und Instagram machen es leicht, die Zeit zu vergessen. Das ist Teil ihres Erfolgs. Aber: Intensive Nutzung ist nicht gleich problematisch.
Diese Thematik rund um Suchtverhalten und Plattformdesign spielt auch in der aktuellen Debatte um Social-Media-Regulierungen für Jugendliche eine zentrale Rolle. Einige europäische Staaten, darunter Frankreich, Spanien und Griechenland, denken bereits laut über ein Nutzungsverbot für Kinder unter 16 Jahren nach. Australien ist bereits einen Schritt weiter gegangen und hat ein solches Verbot für jüngere Nutzer:innen verhängt – und auch Deutschland denkt über ein entsprechendes Gesetz nach.
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Wie viele Swipes sind zu viel?
Laut der aktuellen Erhebung geben 15 Prozent der Menschen in Deutschland an, typische Symptome einer Social-Media-Sucht zu zeigen. Aber wie verbreitet ist problematische Social-Media-Nutzung in den verschiedenen Altersgruppen? Die folgende Übersicht zeigt: Die Gen Z und die Millennials sind auffällig oft betroffen.
Laut der Social-Media-Sucht-Skala zeigen rund ein Viertel der Gen Z (25 Prozent) und der Millennials (26 Prozent) Anzeichen einer problematischen oder suchtgefährdeten Nutzung. In den älteren Generationen fällt der Anteil deutlich geringer aus: Bei der Generation X sind es zwölf Prozent, bei den Baby Boomern lediglich rund fünf Prozent. Basis der Einschätzung ist die sogenannte Bergen Social Media Addiction Scale, ein wissenschaftlich anerkanntes Instrument zur Messung von Social-Media-Abhängigkeit. Die Skala erfasst sechs typische Symptome von Verhaltenssucht:
- Gedankliche Vereinnahmung: ständiges Denken an soziale Medien
- Stimmungsveränderung: Nutzung zur Flucht oder Stimmungsverbesserung
- Toleranzbildung: immer mehr Zeit nötig, um denselben Effekt zu erzielen
- Entzugserscheinungen: Unruhe oder Reizbarkeit bei Verzicht
- Konflikte: negative Auswirkungen auf Beruf, Schule oder Beziehungen
- Rückfälle: wiederholter Kontrollverlust trotz Vorsätzen
Je mehr dieser Symptome auf eine Person zutreffen, desto höher stuft die Skala das Risiko für eine Abhängigkeit ein.
Negative Folgen für Arbeit und Studium? Viele merken sie bereits
85 Prozent der berufstätigen oder studierenden Befragten nutzen mindestens ein soziales Netzwerk mehrmals täglich – oft zwischen Terminen, in Lernpausen oder sogar während der Arbeitszeit. Doch nicht alle empfinden diesen Konsum als problematisch: Rund 60 Prozent geben an, dass ihre Leistung dadurch nicht beeinträchtigt werde.
Ein genauerer Blick auf die Altersgruppen zeigt jedoch deutliche Unterschiede: Während zwei Drittel der Baby Boomer und der Generation X keine negativen Effekte durch Social Media auf ihren beruflichen Alltag wahrnehmen, sind es bei den Millennials nur etwa 51 Prozent. In der Gen Z fällt die Einschätzung noch kritischer aus: Nur 34 Prozent der jungen Befragten geben an, keine negativen Auswirkungen auf Studium oder Arbeit zu spüren. Umgekehrt heißt das: Zwei Drittel haben bereits zumindest gelegentlich Einschränkungen oder Konzentrationsprobleme erlebt. Prof. Dr. René Arnold von der Hochschule Macromedia ordnet die Ergebnisse ein:
Etwa ein Viertel der Gen Z und Millennials zeigt problematische Social-Media-Nutzung. Viele flüchten sich in soziale Medien, um dem Alltag zu entkommen, und scheitern beim Versuch, ihren Konsum zu begrenzen.
Die Ursachen für die problematische Nutzung sind vielschichtig. Neben psychischer Erschöpfung und digitaler Reizüberflutung spielt auch die Angst, etwas zu verpassen – bekannt als Fear of Missing Out (FOMO) – eine zentrale Rolle. Hinzu kommt der Versuch, durch den schnellen Griff zum Smartphone kurzfristige Entlastung oder Zerstreuung zu finden. Was als harmlose Unterbrechung beginnt, kann jedoch kognitive Ressourcen binden und die Fähigkeit zur fokussierten Arbeit langfristig beeinträchtigen.
Social-Media-Stress trifft besonders Mädchen
Die YouGov-Daten fügen sich in ein größeres Bild. Auch die Weltgesundheitsorganisation warnt: Laut ihrer HBSC-Studie zeigen rund elf Prozent der Jugendlichen in Europa ein problematisches Social-Media-Verhalten. Besonders deutlich zeigen sich die Auswirkungen anscheinend bei Mädchen. Sie berichten häufiger von Kontrollverlust über ihr Online-Verhalten, emotionaler Belastung durch soziale Vergleiche sowie dem Gefühl, durch Social Media unter sozialen Druck zu geraten. Rund 13 Prozent der befragten Mädchen zeigen laut der WHO Anzeichen einer problematischen Nutzung – bei Jungen sind es neun Prozent.
Da es sich bei der HBSC-Erhebung um eine Selbsteinschätzung handelt, könnten Verzerrungen durch subjektive Wahrnehmung oder soziale Erwünschtheit nicht ausgeschlossen werden. Dennoch verdeutlichen die Zahlen eine klare Tendenz. Der WHO-Bericht betont daher die Bedeutung digitaler Bildung, altersgerechter Interventionen und psychologischer Unterstützung, um junge Menschen im digitalen Raum langfristig zu schützen.
Wege aus der Dauerschleife
Die Studie von YouGov und der Hochschule Macromedia zeigt eindrücklich, wie tief soziale Medien in den Alltag junger Menschen eingebettet sind – und wie schnell die Grenze zur problematischen Nutzung überschritten wird. Besonders die Generation Z und die Millennials sind betroffen. Das wirft eine zentrale Frage auf: Wie gelingt ein gesunder Umgang mit Social Media?
Gefragt ist ein Zusammenspiel aus individueller Medienkompetenz, gesellschaftlicher Aufklärung und einer Plattformgestaltung, die nicht allein auf maximale Verweildauer ausgerichtet ist, sondern auch das digitale Wohlbefinden der Nutzer:innen in den Mittelpunkt stellt. Verantwortung tragen dabei alle: Nutzer:innen selbst, Bildungseinrichtungen, Politik – und nicht zuletzt die Plattformbetreiber:innen, also Konzerne und Unternehmen wie Meta (Instagram, Facebook), ByteDance (TikTok), Google (YouTube) und andere.
Krankenkassen könnten diese Entwicklung aufgreifen und im Rahmen ihrer Kommunikationsstrategie nutzen – etwa durch Video-Ads oder einfache Hinweise wie „Genug gescrollt für heute“. Solche Impulse könnten niedrigschwellig zum digitalen Wohlbefinden beitragen und zugleich ein Zeichen für verantwortungsvolles Marketing setzen. Auch über den Gesundheitssektor hinaus ließen sich solche Ansätze als Inspiration für achtsame Markenkommunikation verstehen.