Vergifteter Abgang: Wenn Kündigungen eskalieren

Jemand hat gekündigt, verbreitet miese Laune, zeigt null Einsatz? Eine Personalexpertin erklärt, wie du klug und souverän reagierst – und wann trotz Kündigung eine Abmahnung angebracht ist. The post Vergifteter Abgang: Wenn Kündigungen eskalieren appeared first on impulse.

Jun 13, 2025 - 00:40
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Vergifteter Abgang: Wenn Kündigungen eskalieren
Kündigt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter, verläuft die Trennung vom Unternehmen nicht immer harmonisch. Etwa wenn die Person dann nur noch Dienst nach Vorschrift macht, sich unkooperativ verhält oder sogar schlechte Stimmung im Team verbreitet. Personalexpertin Helga Jungnickl erklärt, wie Chefs und Chefinnen mit schwierigen Abgängen ­umgehen und Konflikten vorbeugen können. impulse: Frau Jungnickl, wie oft kommt es vor, dass Kündigungen durch Mitarbeitende fürs Unternehmen problematisch werden? Helga Jungnickl: Handelt es sich um einen sehr qualifizierten ­Mitarbeiter mit besonderen Schlüsselqualifika­tionen, ist die Kündigung für das Unternehmen immer problematisch. Es wird viel Geld kosten, adäquaten Ersatz zu bekommen, es kann zu ­Belastungen und Unterbrechungen im Betriebsablauf führen und sich negativ auf die Motivation der Kolleginnen und Kollegen auswirken. Das wiederum kann zu einem höheren Krankenstand führen. Auch Kunden erwarten Kontinuität in der Betreuung – ein Wechsel der Ansprechperson kann Unsicherheit schaffen. Wenn sich die ­kündigende Person dann auch noch problematisch oder unkooperativ verhält und beispielsweise gezielt schlechte Stimmung verbreitet oder Dienst nach Vorschrift leistet und mit ange­zogener Handbremse arbeitet, wird der Schaden für die Firma noch größer. Leider nehmen solche Situationen nach meinem Gefühl eher zu. Woran könnte das liegen? Gerade junge Mitarbeitende sind häufig viel Aufmerksamkeit gewöhnt, oft durch das eigene Elternhaus, aber auch durch soziale Medien. Wenn sie bei der Arbeit weniger Beachtung erfahren, sind sie schnell enttäuscht und lassen das den Arbeitgeber bei der Trennung spüren. Aber auch unabhängig vom Alter fühlen sich immer weniger Menschen emotional stark an ihren Arbeitgeber gebunden. Laut dem im März 2025 erschienenen Engagement Index von Gallup trifft das nicht einmal mehr auf jeden zehnten Beschäftigten zu. Der Anteil der Beschäftigten mit geringer emotionaler Bindung befindet sich dagegen auf einem historischen Höchststand von 78 Prozent. Bis zur Kündigung ist es da nicht allzu weit. Wie können Chefs und Chefinnen damit ­umgehen, wenn ihnen Mitarbeitende nicht nur die Kündigung, sondern auch gleich den angestauten Frust der letzten Jahre vor den Latz knallen? Sie sollten auf jeden Fall ruhig bleiben und die eigenen Emotionen zurücknehmen. Selbst wenn sie über die Kündigung selbst oder die Art und Weise verärgert sind, ist es besser, sachlich zu bleiben und zu deeskalieren. Je nachdem, worüber sich der Mitarbeiter im Kündigungsgespräch beklagt, sollten sie gut zuhören und auch ein­gestehen, wenn Sie Ihre Führungsrolle zu wenig wahrgenommen und den Mitarbeiter nicht in den Mittelpunkt gestellt haben. Konflikte oder ­Spannungen sind immer ein Zeichen von ­mangelnder Kommunikation. Deshalb empfehle ich unbedingt, dieses Austrittsgespräch mit dem Mitarbeiter sehr ernst zu nehmen und Maßnahmen abzuleiten. Und wenn jemand trotzdem unkooperativ bleibt, nach der Kündigung stänkert und die Stimmung im Team vergiftet? Akzeptieren sollten Sie das jedenfalls nicht. Auch in diesem Fall ist Kommunikation das A und O, um Konflikte zu beseitigen. Klären Sie, aus welchem Grund er oder sie sich so verhält und ob sich an diesem Grund etwas ändern lässt. Wenn die Person völlig uneinsichtig ist, nur noch das Nötigste macht oder gar die Arbeit verweigert, sollten Sie sie daran erinnern, dass bis zum Ende der Kündigungsfrist ein gültiger Arbeitsvertrag besteht: Das Unternehmen bezahlt bis zum Schluss, der Arbeitnehmer muss dafür seine ­Gegenleistung erbringen. Tut er das nicht, muss er mit einer Abmahnung rechnen. Was bringt es, jemanden abzumahnen, dessen Ende im Betrieb ohnehin besiegelt ist? Es hat eine Signalwirkung nach innen, wenn die anderen Mitarbeiter sehen, dass die Person nicht einfach tun kann, was sie will. Und meiner Erfahrung nach trifft eine Abmahnung die meisten Menschen, auch nach der Kündigung. Denn sie hat nicht nur eine arbeitsrechtliche Wirkung, sondern auch eine psychologische Seite. Ein ­weiterer Hebel ist das Arbeitszeugnis, auch das können Sie thematisieren. Die wenigsten Arbeitnehmer möchten, dass darin beispielsweise ein gestörtes Verhältnis mit dem Arbeitgeber angedeutet wird. Am Ende sollten Chefs und Chefinnen aber auch nicht zu viel Energie in jemanden investieren, der partout nicht mehr im Unternehmen arbeiten will. Dann lieber sofort trennen. Durch einen Aufhebungsvertrag? Ja. Wenn das Verhältnis sehr zerrüttet ist, ­empfehle ich, einen Aufhebungsvertrag anzu­bieten und sich von dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin vor Ablauf der regulären ­Kündigungsfrist zu trennen. Was, wenn ein Mitarbeiter schriftlich kündigt und ein persönliches Gespräch vermeidet oder sich gar krankmeldet? Auch dann sollten Vorgesetzte versuchen, noch mal Kontakt aufzunehmen und das Gespräch zu suchen. Das ist wichtig, um zumindest eine ge­regelte Übergabe in die Wege zu leiten. Und ich kann nur wiederholen: Auch die Erkenntnisse zu den Kündigungsgründen, die das Unternehmen für die Zukunft aus diesem Gespräch ziehen kann, sind den Versuch und den Aufwand allemal wert. Worauf ist grundsätzlich im Austrittsgespräch zu achten? Nehmen Sie sich Zeit für den Mitarbeiter und zeigen Sie Wertschätzung, auch wenn Sie vielleicht persönlich enttäuscht sind. In dieser Situation sprechen ausscheidende Mitarbeiter in der Regel sehr offen über ihre Beweggründe. Dies gibt dem Unternehmen die Chance, an etwaigen Missständen zu arbeiten und zu verhindern, dass weitere Teammitglieder aus den gleichen Gründen kündigen. Und unter Umständen entsteht dabei auch die Gelegenheit, die aktuelle Kündigung abzuwenden oder sie rückgängig zu machen. Ist es denn sinnvoll, jemand zum Bleiben zu überreden, der gehen will? Das kommt sehr auf den Einzelfall an. Grundsätzlich gilt: Die Rekrutierung neuer Mitarbeitender ist sehr zeit- und kostenintensiv. Durchschnittlich sind die Fluktuationskosten pro Mitarbeiter ­1,5-fach höher als die reinen Gehalts- und Nebenkosten eines Jahres. Deshalb lohnt es sich immer, in die Mitarbeiterbindung zu investieren. Und es kann sich betriebswirtschaftlich auch lohnen, eine Kündigung rückgängig zu machen. Wenn Sie das vorhaben, müssen Sie im Gespräch herausfinden, wie weit sich die Person mental bereits vom Unternehmen distanziert hat und ob sie überhaupt umgestimmt werden könnte – beispielsweise durch eine andere Position oder neue Entwicklungsmöglichkeiten. Und wenn der Wunsch nach mehr Gehalt ­dahintersteht? Wenn es bei der Kündigung vor allem ums Geld geht, sollten Sie vorsichtig sein und herausfinden, ob die Tätigkeit tatsächlich mehr Gehalt recht­fertigt und wie sich das auf das gesamte Gehaltsniveau im Betrieb auswirken würde. Denn andere würden dann auch entsprechend mehr bekommen wollen. Wenn die Position keine Erhöhung rechtfertigt, Sie den Mitarbeiter aber unbedingt halten wollen, könnten Sie einen Stufenplan ­vorschlagen: Der Mitarbeiter bildet sich weiter, übernimmt Aufgaben hinzu und bekommt entsprechend mehr Gehalt. Der Plan sollte aber langfristig angelegt sein, sodass nicht in einem Jahr das nächste Kündigungsgespräch ansteht. Welche Vorkehrungen kann ein Unternehmen treffen, damit es gar nicht so weit kommt, dass Mitarbeitende enttäuscht oder wütend kündigen? Eine Grundvoraussetzung sind regelmäßige ­Mitarbeitergespräche und ausgebildete Führungskräfte. Sie müssen Orientierung geben, um die emotionale Bindung der Mitarbeiter zu ­stärken, und individuell auf jedes Teammitglied eingehen. Denn wenn Mitarbeitende sich wert­geschätzt, eingebunden, gefordert und gefördert fühlen und eine Perspektive sehen, bleiben sie auch in unsicheren Zeiten. Und falls Sie doch kündigen, werden sie sich dabei kooperativ und wertschätzend verhalten. Mitarbeitergespräche sind grundsätzlich das wichtigste Früherkennungssystem für Kündigungsrisiken. Denn normalerweise zeigt sich dabei, ob Mitarbeitende unzufrieden sind und was sie im Job stört. Leider vernachlässigen viele Unternehmen dieses Führungsinstrument, vor allem kleinere Firmen.

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