„Zwischen meinem Papa und mir fliegen öfter die Fetzen“

Was heißt es wirklich, ein Unternehmen in vierter Generation zu übernehmen – und es zu übergeben? Lena Schaumann und ihr Vater Hermann packen aus: Konflikte, Enttäuschungen und Überraschungen in der Nachfolge. The post „Zwischen meinem Papa und mir fliegen öfter die Fetzen“ appeared first on impulse.

Mai 27, 2025 - 16:20
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„Zwischen meinem Papa und mir fliegen öfter die Fetzen“
Dass Lena und Hermann Schaumann in ­einigen Dingen sehr unterschiedlicher Meinung sind, wird dieser Text noch ­zeigen. Doch wer mit beiden spricht, bemerkt erst mal eine Gemeinsamkeit: Sie reden viel – und schnell. „Meine Freunde sagen, dass sie Sprachnachrichten normalerweise in doppelter Geschwindigkeit anhören. Nur bei meinen wäre das unmöglich“, erzählt Lena Schaumann. Auch sonst drückt die 36-Jährige aufs Tempo. Erst gründete sie ein Start-up, dann stieg sie als Nachfolgerin in das Familienunternehmen Möbel Schaumann in Kassel ein. Mit dem Podcast „Hermann & ich“, den sie gemeinsam mit der Unternehmerin Dina Reit hostet, machte sie sich einen Namen als Nachfolge-Expertin. Sie bietet Coachings und Mento­ring an und baute das Nachfolge-Festival „Footsteps“ mit auf, das 2026 zum dritten Mal stattfinden soll. „Keine Ahnung, von wem sie dieses Umtriebige hat“, kommentiert Hermann Schaumann lachend. Der 64-Jährige baute den kleinen Familienbetrieb, den sein Großvater 1912 gründete, zu einem Unternehmen mit zwei großen Möbelhäusern in Kassel und Korbach auf. Dazu kamen zwei Küchenfach­geschäfte, ein Babyone-Markt als Franchisenehmer und eine Self-Storage-Firma. impulse hat Vater und Tochter getrennt voneinander befragt. Sie erzählen offen von Konflikten, Enttäuschungen, unterschiedlichen Führungsstilen – und warum es bislang immer gut ausgegangen ist bei ihnen. Ins Familienunternehmen einsteigen? Bloß nicht! Hermann: „Meine Kinder haben mir immer erklärt, dass sie sich nicht vorstellen können, das Möbelhaus zu übernehmen. Ich habe auch nicht darauf hingearbeitet. Für mich wäre es auch in Ordnung gewesen, irgendwann zu verkaufen. Die Kinder zu irgendwas zu drängen, wäre mir nie in den Sinn gekommen.“ Lena: „Nach meinem Bachelorabschluss habe ich ein halbes Jahr im Unternehmen meines Papas gearbeitet. Der Deal war: Ich schaue es mir mal an. Danach wollte ich eigentlich einen Master ­machen. Aber ich hatte Blut geleckt und keine Lust mehr auf Theorie. Bei uns im Möbelhaus wollte ich aber auf keinen Fall bleiben.“ Also zieht Lena Schaumann 2014 nach Berlin. Dort gründet sie das Start-up Lumizil, einen Onlineshop für Leuchten und Dekoartikel. Der Vater, Spezialist für stationären Handel, interessiert sich für die Prozesse ihres Digital­geschäfts. Mit der Zeit ergeben sich Synergien. Sie ist immer öfter in Kassel, übernimmt Auf­gaben bei Möbel Schaumann. Und merkt, wie sehr ihr das Familienunternehmen am Herzen liegt. Lars, ihr drei Jahre jüngerer Bruder, hat zu dieser Zeit gerade sein BWL-Studium beendet. Luisa, die jüngste der drei Geschwister, ist noch in der Ausbildung. Hermann: „Plötzlich standen mein Sohn und meine ältere Tochter mehr oder weniger zeitgleich vor der Tür und wollten einsteigen. Das kam überraschend. Für mich war klar: Wir müssen das irgendwie aufteilen. Jeder sollte einen Part übernehmen. Auf keinen Fall wollte ich eine Erben­gemeinschaft, in der man sich abstimmen muss. Mit den Geschwistern mag eine Erbengemeinschaft vielleicht noch klappen, ist aber auch schon schwierig genug. Aber in der nächsten Generation geht es garantiert schief. Und die Energie gehört in den Markt und nicht in die Abstimmungs­prozesse untereinander. Das Problem war nur: Wie teilt man ein Familienunternehmen auf?“ Lena: „Ich glaube, mein Bruder hätte lieber noch mal ein paar Jahre abgewartet, sich alles in Ruhe angeschaut und erst dann die Entscheidung getroffen, wer was übernimmt. Aber ich brauchte Klarheit. Ich war schon 29 und musste wissen, ob ich mich jetzt auf das Familienunternehmen konzentrieren oder mit Vollgas das Start-up vorantreiben sollte.“ Hermann Schaumann trifft eine Entscheidung: Zum 1. April 2019 wird Lena Geschäftsführerin bei Möbel Schaumann. Ihr Start-up wird Teil des Unternehmens. Lars Schaumann übernimmt die Geschäftsführung der Küchenfachmärkte und die beiden Küchenabteilungen der Möbelhäuser. So ist es etwa Hälfte-Hälfte aufgeteilt. Was dem Vater wichtig ist: Sollten sich die Geschwister jemals in die Haare kriegen, könnten sie in dieser Konstellation auch getrennte Wege gehen. Die Tochter fragt sich: Soll ich gehen oder bleiben? Lena Schaumann ist froh über die Lösung. Doch schon bald spürt sie viel Druck. Sie ­hadert mit ihrer Entscheidung, Nachfolgerin im Familienunternehmen zu sein. Lena: „Es gab einen Punkt, an dem ich dachte: Ich kann nicht gehen und ich kann nicht bleiben. Ich habe weinend bei meiner Coachin angerufen und ihr erzählt, wie hin- und hergerissen ich mich fühle. Dieses Unternehmen ist so ein ­großer Teil von mir, das könnte ich doch nicht einfach aufgeben. Aber mein ganzes Leben lang nur noch Möbel Schaumann – das war auch eine Horrorvorstellung. Ich wollte eine Familie ­gründen und hatte zig andere Ideen und Pläne. Meine Coachin hat mich dann gefragt: ‚Warum darf das Unternehmen nicht einfach ein Puzzleteil in deinem Leben sein – neben anderen?‘ Das hat mir sehr geholfen. Ich dachte bis dahin, ich müsste es genauso machen wie mein Vater: Er hat 70 Stunden die Woche gearbeitet und das Faxgerät mit in den Urlaub genommen. Ich war gar nicht auf die Idee gekommen, dass ich es ­anders machen könnte. Zum Beispiel eine zweite Führungsebene installieren und weniger hierarchisch führen. Für mich war das eine ganz ­wichtige Erkenntnis: Du musst dich als Nach­folgerin nicht dem Unternehmen anpassen, du darfst das Unternehmen auch so verändern, dass es zu dir passt.“ Zwei Welten treffen aufeinander In Berlin hat Lena Schaumann die Arbeits­weise der Start-up-Szene kennengelernt: ­flache Hierarchien, offene Kommunikation, mehr Fehlertoleranz. Zu Hause in Kassel ­erlebt sie Führung der alten Schule. Lena: „Mit dem Führungsstil meines Papas konnte ich mich nicht identifizieren. Ich kenne ihn ja als emotionalen, liebenden Vater. Und im Unternehmen hatte er so eine Härte. Das war für mich manchmal schwer zu ertragen. Teilweise hatte ich das Gefühl, ich müsste mich bei den Mitarbeitenden dafür entschuldigen, wie er mit ihnen gesprochen hat.“ Die Tochter beschließt, ein großes Projekt zu starten: Es soll die Unternehmenskultur ­verändern und die Zufriedenheit der Team­mitglieder und Kunden steigern. Sie nennt es Smile. Lena: „Ich wollte in den Kulturwandel investieren und eine andere Führungskultur etablieren. Und mein Vater hat gesagt: ‚Das Investment kriegst du nie zurück.‘ Ich habe ihm klargemacht: ‚So, wie du die Firma führst, kann ich es mir nicht vorstellen. Ich muss es auf meine Art machen dürfen. Er hat mich in solchen Situationen immer hart gechallenged. Im Nachhinein hat er mir erklärt: ‚Wenn ich mir nicht sicher war, dann wollte ich wenigstens sicher sein, dass du zu 1000 Prozent dahinterstehst‘.“ Hermann Schaumann willigt schließlich ein. Als die Agentur, die die Tochter zur Unterstützung für ihr Projekt angefragt hat, verschiedene Beratungsvarianten vorstellt, stimmt er für das größte Paket. Er will keine halben Sachen machen. Doch eine gewisse Skepsis bleibt. Hermann: „Wenn du frisch anfängst und ein Unternehmen leitest, hast du ganz hohe Erwartungen an die Angestellten und siehst nur das Gute. Lena hat da sehr viel Energie reingesteckt, und dann wird man vielleicht auch mal leer ­gesaugt. Mit jeder Enttäuschung wird man ein bisschen weniger enthusiastisch.“ Die Aufgaben werden klar verteilt Lena: „Ich habe irgendwann zu meinem Vater gesagt, dass ich Mitarbeitergespräche lieber alleine führe. Es war nicht leicht, den eigenen Papa so vor den Kopf zu stoßen. Ich war dabei, mit den Menschen eine andere Führungskultur zu entwickeln. Da konnte er nicht dazwischen­funken. Vor Kurzem habe ich ein Kündigungs­gespräch geführt mit einer Führungskraft, die auch lange unter ihm gearbeitet hat. Es war klar, dass er dabei sein sollte, allein schon als Zeuge. Aber ich habe ihm vorher deutlich gemacht, dass ich das Gespräch leite und ihm ein Zeichen gebe, wenn sein Redeanteil beginnen kann. Ich glaube, das fällt ihm brutal schwer. Aber inzwischen war er oft genug dabei, um zu wissen, dass ich das besser kann als er.“ Hermann: „Personalführung ist Lenas Ding. Sie macht es sehr gut, ganz nah an den Menschen dran zu sein und sie zu entwickeln.“ Zwischen Vater und Tochter fliegen die Fetzen Wie nahe sich Vater und Tochter stehen und wie sehr sie sich schätzen, wird in den Gesprächen immer wieder deutlich. Doch die Nähe erzeugt auch Reibung. Lena: „Ich hätte mir an manchen Stellen gewünscht, dass mein Vater und ich noch offener kommunizieren. Ich will Konflikte austragen. Mein Eindruck ist, dass mein Vater Konflikte ­innerhalb der Familie gar nicht mag. Er springt dann schnell in Lösungen.“ Hermann: „Ich würde schon sagen, dass ich mit Streit gut leben kann. Aber ich muss nicht alles zu Ende diskutieren. Lena will immer alles besprechen. Sie hat diese Sprachgewandtheit. Aber nur, weil sie gut reden und argumentieren kann, hat sie deswegen ja nicht immer recht.“ Lena: „Zwischen meinem Papa und mir fliegen öfter die Fetzen. Er hat ein verglastes Büro, und seine Tür steht normalerweise immer offen. Ich glaube, alle unsere Mitarbeitenden wissen: Wenn diese Tür zugeht und Lena mit dem Rücken zur Glaswand steht, dann ist die Hütte am Dampfen. Mir kommen in solchen Situationen halt die Tränen. Dann drehe ich mich natürlich nicht so, dass jeder das sehen kann – auch wenn man es hinterher eh mitkriegt.“ Hermann: „Lena ist emotionaler als ich. Es kann vorkommen, dass sie morgens früh ins Büro kommt und kaum geschlafen hat, weil zum Beispiel ihr Kind krank ist. Und dann sage ich: Ich ­habe noch drei Sachen mit dir zu besprechen – sie wäre aber lieber erst mal in Ruhe angekommen und hätte gern einen Kaffee getrunken. Dann fühlt sie sich vielleicht überrumpelt, und es kommt fast schon die erste Träne. Aber das ist okay, am nächsten Tag ist es wieder anders. Das Gute ist: Es gibt ein tiefes Grundverständnis zwischen uns. Wenn wir uns mal fetzen, dann fetzen wir uns halt. Aber wir sind überhaupt nicht nachtragend.“ Lena: „Wir konnten uns schon unser Leben lang richtig streiten. Manchmal denke ich, es wäre schön, wenn wir uns das nicht immer gegenseitig zumuten würden Aber wir wissen beide, dass ­unsere Liebe füreinander bedingungslos ist. Dadurch haben wir den Raum, uns alles an den Kopf werfen zu können. Jetzt, wo ich selbst Mama bin, ist mir noch bewusster, was für ein großes Geschenk das von meinem Vater ist: dass das eigene Kind das Gefühl hat, es kann einem alles sagen und richtig meckern. Weil es sich so sicher fühlt in der Beziehung.“ Eine eigene Familie – und das Ende einer Täuschung Für Lena Schaumann ist immer klar, dass sie ­eine Familie möchte. Im Jahr 2024 kommt ihre Tochter zur Welt. Nach sechs Monaten ­Elternzeit kehrt sie zurück ins Unternehmen, und ihr Mann Thilo kümmert sich um das ­Baby. Lena: „Nach einigen Jahren in der Geschäfts­führung hatte ich den Eindruck, dass es jetzt auch eine Zeit ohne mich funktionieren würde. Ich ­wurde schwanger und war dann offiziell erst mal weg. Aber am Ende war ich auch in der Elternzeit immer wieder vor Ort, um bei wichtigen Meetings dabei zu sein. Mein Team hat mir sogar einen ­kleinen Stillraum gebaut an unserem Besprechungsplatz.“ Hermann: „Lena hatte die Vorstellung, dass die leitenden Angestellten den Laden komplett schmeißen, auch wenn sie mal nicht da ist. Doch der Traum ist schnell verblasst. Sie war wegen ­ihrer Schwangerschaft gerade einmal ein paar Wochen draußen, als es zwischen zwei Alpha­tieren im Verkauf richtig Zoff gab. Jetzt hätte ich das übernehmen und lösen können. Aber das war ja genau das, was Lena nicht haben wollte, dass die Leute wieder mich rufen. Also musste man das ­irgendwie aushalten und versuchen, es erst zu ­lösen, wenn sie wieder da ist. In der Zeit, wo sie nicht da war, sind schon ein paar Sachen liegen geblieben.“ Lena: „Am Ende des Tages habe ich gemerkt, dass ich von dem ein oder anderen doch zu viel erwartet hatte. Bei einer Führungskraft, von der wir uns inzwischen getrennt haben, hat sich während der Elternzeit gezeigt, dass das Vertrauensverhältnis nicht so ist wie gedacht. Im Prinzip war das das Ende einer Täuschung.“ Die richtige Work-Life-Balance Hermann: „Klar kann man als Chef statt 70 Stunden auch 40 Stunden pro Woche arbeiten. Aber irgendwas bleibt dann liegen. Der einzige Platz, wo bei uns der Erfolg gemessen wird, ist die Kassenschublade. Das ist im Möbelhaus ganz deutlich: Wenn ich da am Hauptverkaufstag, dem Samstag, als Chef im Haus präsent bin, wird mehr ­verkauft. Jetzt kann ich überlegen, ob ich jeden Samstag arbeite oder ob ich freimache. Den Unterschied sieht man einfach an den ­Zahlen.“ Lena: „Ich wünschte, es wäre anders, aber ich merke auch, dass die Selbstverantwortung noch nicht bei allen Mitarbeitenden in allen Bereichen so stark ist. Es gibt Abteilungen, die ich komplett allein lassen kann. Bei anderen sind wir noch nicht so weit. Aber wir werden immer besser. Ich glaube, dahinter steckt auch ein Glaubenssatz. Den können wir jetzt mal auflösen. Ich bin nicht jeden Samstag vor Ort – und das werde ich auch nie sein.“ Nach all den Jahren langsam ­loslassen – geht das? Hermann Schaumann ist noch eingetragener Geschäftsführer. Aus den strategischen Entscheidungen und dem Tagesgeschäft des ­Unternehmens hält er sich aber raus. In der Regel ist er von 9 bis 16 Uhr im Büro, kümmert sich etwa um die Buchhaltung und den Bereich Arbeitssicherheit, betreut die Immobilien und ist Aufsichtsrat in einem Einkaufs­verband für mittelständische Möbel- und ­Küchenhändler. Hermann:„Ich glaube, Lena hat sich am Anfang schon ein bisschen kontrolliert gefühlt von mir. Wenn ich durchs Möbelhaus gelaufen bin, habe ich ganz automatisch geguckt, was man ver­bessern könnte. Lag da ein Stück Papier auf dem Boden, musste ich es aufheben. War eine Lampe kaputt, habe ich dem Haustechniker Bescheid gegeben. Und Lena hat dann gesagt: Moment, der hat gerade einen anderen Auftrag zu erledigen. Es fällt mir schwer, nichts zu sagen. Ich habe 40 Jahre hingeguckt, da kannst du nicht plötzlich weggucken. Die Lösung ist, dass ich deutlich ­weniger ins Möbelhaus gehe und mehr im Verwaltungsbereich bleibe. Wenn ich weniger vor Ort im Laden bin, gucke ich weniger. Alles gut.“ Lena: „Loszulassen ist mit Sicherheit überhaupt nicht leicht. Mein Vater hat irgendwann mal zu mir gesagt: Ich ertrage es nicht, dass du fast alles anders machst als ich – und dass das dann auch noch teilweise erfolgreicher ist. Da gucke ich ­lieber gar nicht hin.“ Hermann: „Ich kenne viele gescheiterte Fami­liennachfolgen. Das Schlimmste ist, wenn junge Leute etwas anpacken wollen, aber die Eltern sie nicht machen lassen. Wie lernen kleine Kinder denn laufen? Sie stolpern am Anfang ein bisschen. Aber du kannst sie nicht die ganze Zeit mit beiden Händen festhalten. Also warum sollte man schon komplett sicher stehen können, wenn man anfängt, ein Unternehmen zu führen? Lasst die ­Kinder eigene Fehler machen. Wenn du das erste Lieferanten- oder Bankgespräch geführt hast und dir Fragen gestellt wurden, auf die du keine Antwort hattest, dann weißt du beim nächsten Mal, dass du dich anders vorbereiten musst. Man kann ja als Vater immer noch die Hand auf die scharfe Tischkante halten und dafür sorgen, dass sich die ­Kinder nicht den Kopf anschlagen. Aber sie müssen nicht in Watte gepackt werden.“ Lena: „Man lernt sich in dieser Zeit ganz neu kennen. In der Kindheit sind die eigenen Eltern ja die Superhelden. Am Anfang dachte ich auch: Mein Papa kann alles und weiß alles, und ich stelle mich dahinter. Aber du kannst ja nicht dein Leben lang im Schatten stehen. Für mein Selbstwertgefühl zumindest hätte das nicht funktioniert. Irgendwann hat es sich dann gedreht: Ich bin mehr drin und weiß besser Bescheid, was im Unternehmen gerade relevant ist. Dann ist der Papa nicht mehr der Superheld, sondern das Kind steht für sich selbst ein. Das ist ja eigentlich das Schönste, was Eltern passieren kann. Und dennoch ist es, glaube ich, nicht einfach.“ Hermann: „Ich vertraue Lena zu 100 Prozent. Ich glaube, das ist das Besondere innerhalb einer Familie. Ich könnte mir bei keinem Angestellten vorstellen, sie alles – vollständig ohne Kontrolle – machen zu lassen.“ Lena: „Das erste Jahr, in dem ich voll verantwortlich war, haben wir mit ordentlichen Zahlen ab­geschlossen. Ich glaube, für meinen Vater war es sehr wichtig, schwarz auf weiß zu sehen, dass es funktioniert. Und für mich ehrlicherweise auch.“ Wie soll es weitergehen? Lena: „Vor zwei Jahren hätte ich vermutlich noch gesagt, mein Vater muss so schnell wie möglich hier raus. Heute denke ich: Papa, bleib so lange, wie du willst. Ich habe einfach zu oft gesehen, wie Menschen, die ihr Leben lang Unternehmer waren, in Rente gehen und plötzlich echt alt werden. Wir sind beide an der Situation gewachsen. Er kann meine Entscheidungen als Unternehmerin inzwischen besser akzeptieren. Und ich bin viel stärker geworden. Am Anfang dachte ich bei jedem ­Gegenwind von ihm: Er macht das jetzt seit 40 Jahren, er muss es ja wissen. Das hat mich ­verunsichert. Jetzt, nach fünf Jahren in der ­Geschäftsführung, kann ich auf mein eigenes ­Bauchgefühl vertrauen und weiß, dass ich meine Sache gut mache.“ Hermann: „Ich fühle mich wohl damit, weniger Verantwortung zu tragen. Solange es mir Spaß macht und ich keinem auf die Füße trete, kann ich zum Beispiel die Buchhaltung, bei den Immo­bilienverwaltungen und noch viele andere Auf­gaben gern weitermachen. Ich habe ja nur ein Hobby, das ist die Firma.“

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